Read Ahead of All Parting Online
Authors: Rainer Maria Rilke
Und er selbst, wie er lag, der Erleichterte, unter
schläfernden Lidern deiner leichten Gestaltung
Süße lösend in den gekosteten Vorschlaf—:
schien
ein Gehüteter … Aber
innen:
wer wehrte,
hinderte innen in ihm die Fluten der Herkunft?
Ach, da
war
keine Vorsicht im Schlafenden; schlafend,
aber träumend, aber in Fiebern: wie er sich ein-ließ.
Er, der Neue, Scheuende, wie er verstrickt war,
mit des innern Geschehns weiterschlagenden Ranken
schon zu Mustern verschlungen, zu würgendem Wachstum, zu tierhaft
jagenden Formen. Wie er sich hingab—. Liebte.
Liebte sein Inneres, seines Inneren Wildnis,
diesen Urwald in ihm, auf dessen stummem Gestürztsein
lichtgrün sein Herz stand. Liebte. Verließ es, ging die
Ah, where are the years when you shielded him just by placing
your slender form between him and the surging abyss?
How much you hid from him then. The room that filled with suspicion
at night: you made it harmless; and out of the refuge of your heart
you mixed a more human space in with his night-space.
And you set down the lamp, not in that darkness, but in
your own nearer presence, and it glowed at him like a friend.
There wasn’t a creak that your smile could not explain,
as though you had long known just when the floor would do that …
And he listened and was soothed. So powerful was your presence
as you tenderly stood by the bed; his fate,
tall and cloaked, retreated behind the wardrobe, and his restless
future, delayed for a while, adapted to the folds of the curtain.
And he himself, as he lay there, relieved, with the sweetness
of the gentle world you had made for him dissolving beneath
his drowsy eyelids, into the foretaste of sleep—:
he
seemed
protected … But inside: who could ward off,
who could divert, the floods of origin inside him?
Ah, there
was
no trace of caution in that sleeper; sleeping,
yes but dreaming, but flushed with what fevers: how he threw himself in.
All at once new, trembling, how he was caught up
and entangled in the spreading tendrils of inner event
already twined into patterns, into strangling undergrowth, prowling
bestial shapes. How he submitted—. Loved.
Loved his interior world, his interior wilderness,
that primal forest inside him, where among decayed treetrunks
his heart stood, light-green. Loved. Left it, went through
eigenen Wurzeln hinaus in gewaltigen Ursprung,
wo seine kleine Geburt schon überlebt war. Liebend
stieg er hinab in das ältere Blut, in die Schluchten,
wo das Furchtbare lag, noch satt von den Vätern. Und jedes
Schreckliche kannte ihn, blinzelte, war wie verständigt.
Ja, das Entsetzliche lächelte … Selten
hast du so zärtlich gelächelt, Mutter. Wie sollte
er es nicht lieben, da es ihm lächelte.
Vor
dir
hat ers geliebt, denn, da du ihn trugst schon,
war es im Wasser gelöst, das den Keimenden leicht macht.
Siehe, wir lieben nicht, wie die Blumen, aus einem
einzigen Jahr; uns steigt, wo wir lieben,
unvordenklicher Saft in die Arme. O Mädchen,
dies:
daß wir liebten
in
uns, nicht Eines, ein Künftiges, sondern
das zahllos Brauende; nicht ein einzelnes Kind,
sondern die Väter, die wie Trümmer Gebirgs
uns im Grunde beruhn; sondern das trockene Flußbett
einstiger Mütter—; sondern die ganze
lautlose Landschaft unter dem wolkigen oder
reinen Verhängnis—:
dies
kam dir, Mädchen, zuvor.
Und du selber, was weißt du—, du locktest
Vorzeit empor in dem Liebenden. Welche Gefühle
wühlten herauf aus entwandelten Wesen. Welche
Frauen haßten dich da. Wasfür finstere Männer
regtest du auf im Geäder des Jünglings? Tote
Kinder wollten zu dir … O leise, leise,
tu ein liebes vor ihm, ein verläßliches Tagwerk,—führ ihn
nah an den Garten heran, gieb ihm der Nächte
Übergewicht……
Verhalt ihn……
his own roots and out, into the powerful source
where his little birth had already been outlived. Loving,
he waded down into more ancient blood, to ravines
where Horror lay, still glutted with his fathers. And every
Terror knew him, winked at him like an accomplice.
Yes, Atrocity smiled … Seldom
had you smiled so tenderly, mother. How could he help
loving what smiled at him. Even before he knew you,
he had loved it, for already while you carried him inside you, it
was dissolved in the water that makes the embryo weightless.
No, we don’t accomplish our love in a single year
as the flowers do; an immemorial sap
flows up through our arms when we love. Dear girl,
this: that we loved, inside us, not One who would someday appear, but
seething multitudes; not just a single child,
but also the fathers lying in our depths
like fallen mountains; also the dried-up riverbeds
of ancient mothers—; also the whole
soundless landscape under the clouded or clear
sky of its destiny—: all this, my dear, preceded you.
And you yourself, how could you know
what primordial time you stirred in your lover. What passions
welled up inside him from departed beings. What
women hated you there. How many dark
sinister men you aroused in his young veins. Dead
children reached out to touch you … Oh gently, gently,
let him see you performing, with love, some confident daily task,—
lead him out close to the garden, give him what outweighs
the heaviest night……
Restrain him……
O Bäume Lebens, o wann winterlich?
Wir sind nicht einig. Sind nicht wie die Zug-
vögel verständigt. Überholt und spät,
so drängen wir uns plötzlich Winden auf
und fallen ein auf teilnahmslosen Teich.
Blühn und verdorrn ist uns zugleich bewußt.
Und irgendwo gehn Löwen noch und wissen,
solang sie herrlich sind, von keiner Ohnmacht.
Uns aber, wo wir Eines meinen, ganz,
ist schon des andern Aufwand fühlbar. Feindschaft
ist uns das Nächste. Treten Liebende
nicht immerfort an Ränder, eins im andern,
die sich versprachen Weite, Jagd und Heimat.
Da wird für eines Augenblickes Zeichnung
ein Grund von Gegenteil bereitet, mühsam,
daß wir sie sähen; denn man ist sehr deutlich
mit uns. Wir kennen den Kontur
des Fühlens nicht: nur, was ihn formt von außen.
Wer saß nicht bang vor seines Herzens Vorhang?
Der schlug sich auf: die Szenerie war Abschied.
Leicht zu verstehen. Der bekannte Garten,
und schwankte leise: dann erst kam der Tänzer.
Nicht
der.
Genug! Und wenn er auch so leicht tut,
er ist verkleidet und er wird ein Bürger
und geht durch seine Küche in die Wohnung.
Ich will nicht diese halbgefüllten Masken,
lieber die Puppe. Die ist voll. Ich will
den Balg aushalten und den Draht und ihr
Gesicht aus Aussehn. Hier. Ich bin davor.
Wenn auch die Lampen ausgehn, wenn mir auch
gesagt wird: Nichts mehr—, wenn auch von der Bühne
das Leere herkommt mit dem grauen Luftzug,
wenn auch von meinen stillen Vorfahrn keiner
mehr mit mir dasitzt, keine Frau, sogar
O trees of life, when does your winter come?
We are not in harmony, our blood does not forewarn us
like migratory birds’. Late, overtaken,
we force ourselves abruptly onto the wind
and fall to earth at some iced-over lake.
Flowering and fading come to us both at once.
And somewhere lions still roam and never know,
in their majestic power, of any weakness.
But we, while we are intent upon one object,
already feel the pull of another. Conflict
is second nature to us. Aren’t lovers
always arriving at each other’s boundaries?—
although they promised vastness, hunting, home.
As when for some quick sketch, a wide background
of contrast is laboriously prepared
so that we can see more clearly: we never know
the actual, vital contour of our own
emotions—just what forms them from outside.
Who has not sat, afraid, before his heart’s
curtain? It rose: the scenery of farewell.
Easy to recognize. The well-known garden,
which swayed a little. Then the dancer came.
Not
him.
Enough! However lightly he moves,
he’s costumed, made up—an ordinary man
who hurries home and walks in through the kitchen.
I won’t endure these half-filled human masks;
better, the puppet. It at least is full.
I’ll put up with the stuffed skin, the wire, the face
that is nothing but appearance. Here. I’m waiting.
Even if the lights go out; even if someone
tells me “That’s all”; even if emptiness
floats toward me in a gray draft from the stage;
even if not one of my silent ancestors
stays seated with me, not one woman, not
der Knabe nicht mehr mit dem braunen Schielaug:
Ich bleibe dennoch. Es giebt immer Zuschaun.
Hab ich nicht recht? Du, der um mich so bitter
das Leben schmeckte, meines kostend, Vater,
den ersten trüben Aufguß meines Müssens,
da ich heranwuchs, immer wieder kostend
und, mit dem Nachgeschmack so fremder Zukunft
beschäftigt, prüftest mein beschlagnes Aufschaun,—
der du, mein Vater, seit du tot bist, oft
in meiner Hoffnung, innen in mir, Angst hast,
und Gleichmut, wie ihn Tote haben, Reiche
von Gleichmut, aufgiebst für mein bißchen Schicksal,
hab ich nicht recht? Und ihr, hab ich nicht recht,
die ihr mich liebtet für den kleinen Anfang
Liebe zu euch, von dem ich immer abkam,
weil mir der Raum in eurem Angesicht,
da ich ihn liebte, überging in Weltraum,
in dem ihr nicht mehr wart.…: wenn mir zumut ist,
zu warten vor der Puppenbühne, nein,
so völlig hinzuschaun, daß, um mein Schauen
am Ende aufzuwiegen, dort als Spieler
ein Engel hinmuß, der die Bälge hochreißt.
Engel und Puppe: dann ist endlich Schauspiel.
Dann kommt zusammen, was wir immerfort
entzwein, indem wir da sind. Dann entsteht
aus unsern Jahreszeiten erst der Umkreis
des ganzen Wandeins. Über uns hinüber
spielt dann der Engel. Sieh, die Sterbenden,
sollten sie nicht vermuten, wie voll Vorwand
das alles ist, was wir hier leisten. Alles
ist nicht es selbst. O Stunden in der Kindheit,
da hinter den Figuren mehr als nur
Vergangnes war und vor uns nicht die Zukunft.
Wir wuchsen freilich und wir drängten manchmal,
bald groß zu werden, denen halb zulieb,
the boy with the immovable brown eye—
I’ll sit here anyway. One can always watch.
Am I not right? You, to whom life tasted
so bitter after you took a sip of mine,
the first, gritty infusion of my will,
Father—who, as I grew up, kept on tasting
and, troubled by the aftertaste of so
strange a future, searched my unfocused gaze—
you who, so often since you died, have trembled
for my well-being, within my deepest hope,
relinquishing that calmness which the dead
feel as their very essence, countless realms
of equanimity, for my scrap of life—
tell me, am I not right? And you, dear women
who must have loved me for my small beginning
of love toward you, which I always turned away from
because the space in your features grew, changed,
even while I loved it, into cosmic space,
where you no longer were—: am I not right
to feel as if I
must
stay seated, must
wait before the puppet stage, or, rather,
gaze at it so intensely that at last,
to balance my gaze, an angel has to come and
make the stuffed skins startle into life.
Angel and puppet: a real play, finally.
Then what we separate by our very presence
can come together. And only then, the whole
cycle of transformation will arise,
out of our own life-seasons. Above, beyond us,
the angel plays. If no one else, the dying
must notice how unreal, how full of pretense,
is all that we accomplish here, where nothing
is allowed to be itself. Oh hours of childhood,
when behind each shape more than the past appeared
and what streamed out before us was not the future.
We felt our bodies growing and were at times
impatient to
be
grown up, half for the sake
die andres nicht mehr hatten, als das Großsein.
Und waren doch, in unserem Alleingehn,
mit Dauerndem vergnügt und standen da
im Zwischenräume zwischen Welt und Spielzeug,
an einer Stelle, die seit Anbeginn
gegründet war für einen reinen Vorgang.
Wer zeigt ein Kind, so wie es steht? Wer stellt
es ins Gestirn und giebt das Maß des Abstands
ihm in die Hand? Wer macht den Kindertod
aus grauem Brot, das hart wird,—oder läßt
ihn drin im runden Mund, so wie den Gröps
von einem schönen Apfel?…… Mörder sind
leicht einzusehen. Aber dies: den Tod,
den ganzen Tod, noch
vor
dem Leben so
sanft zu enthalten und nicht bös zu sein,
ist unbeschreiblich.