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Authors: Rainer Maria Rilke

Duino Elegies (3 page)

which in us now are rapture and solace and help.

DIE ZWEITE ELEGIE

Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir,

ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele,

wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae,

da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür,

zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar;

(Jüngling dem Jüngling, wie er neugierig hinaussah).

Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen

eines Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf-

schlagend erschlüg uns das eigene Herz. Wer seid ihr?

Frühe Geglückte, ihr Verwöhnten der Schöpfung,

Höhenzüge, morgenrötliche Grate

aller Erschaffung,—Pollen der blühenden Gottheit,

Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne,

Räume aus Wesen, Schilde aus Wonne, Tumulte

stürmisch entzückten Gefühls und plötzlich, einzeln,

Spiegel:
die die entströmte eigene Schönheit

wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz.

Denn wir, wo wir fühlen, verflüchtigen; ach wir

atmen uns aus und dahin; von Holzglut zu Holzglut

geben wir schwächern Geruch. Da sagt uns wohl einer:

ja, du gehst mir ins Blut, dieses Zimmer, der Frühling

füllt sich mit dir … Was hilfts, er kann uns nicht halten,

wir schwinden in ihm und um ihn. Und jene, die schön sind,

o wer hält sie zurück? Unaufhörlich steht Anschein

auf in ihrem Gesicht und geht fort. Wie Tau von dem Frühgras

hebt sich das Unsre von uns, wie die Hitze von einem

heißen Gericht. O Lächeln, wohin? O Aufschaun:

neue, warme, entgehende Welle des Herzens—;

weh mir: wir
sinds
doch. Schmeckt denn der Weltraum,

in den wir uns lösen, nach uns? Fangen die Engel

wirklich nur Ihriges auf, ihnen Entströmtes,

oder ist manchmal, wie aus Versehen, ein wenig

unseres Wesens dabei? Sind wir in ihre

Züge soviel nur gemischt wie das Vage in die Gesichter

schwangerer Frauen? Sie merken es nicht in dem Wirbel

ihrer Rückkehr zu sich. (Wie sollten sie's merken.)

Liebende könnten, verstünden sie's, in der Nachtluft

wunderlich reden. Denn es scheint, daß uns alles

verheimlicht. Siehe, die Bäume
sind;
die Häuser,

die wir bewohnen, bestehn noch. Wir nur

ziehen allem vorbei wie ein luftiger Austausch.

Und alles ist einig, uns zu verschweigen, halb als

Schande vielleicht und halb als unsägliche Hoffnung.

Liebende, euch, ihr in einander Genügten,

frag ich nach uns. Ihr greift euch. Habt ihr Beweise?

Seht, mir geschiehts, daß meine Hände einander

inne werden oder daß mein gebrauchtes

Gesicht in ihnen sich schont. Das giebt mir ein wenig

Empfindung. Doch wer wagte darum schon zu
sein?

Ihr aber, die ihr im Entzücken des anderen

zunehmt, bis er euch überwältigt

anfleht: nicht
mehr
—; die ihr unter den Händen

euch reichlicher werdet wie Traubenjahre;

die ihr manchmal vergeht, nur weil der andre

ganz überhand nimmt: euch frag ich nach uns. Ich weiß,

ihr berührt euch so selig, weil die Liebkosung verhält,

weil die Stelle nicht schwindet, die ihr, Zärtliche,

zudeckt; weil ihr darunter das reine

Dauern verspürt. So versprecht ihr euch Ewigkeit fast

von der Umarmung. Und doch, wenn ihr der ersten

Blicke Schrecken besteht und die Sehnsucht am Fenster,

und den ersten gemeinsamen Gang,
ein
Mal durch den Garten:

Liebende,
seid
ihrs dann noch? Wenn ihr einer dem andern

euch an den Mund hebt und ansetzt—; Getränk an Getränk:

o wie entgeht dann der Trinkende seltsam der Handlung.

Erstaunte euch nicht auf attischen Stelen die Vorsicht

menschlicher Geste? war nicht Liebe und Abschied

so leicht auf die Schultern gelegt, als wär es aus anderm

Stoffe gemacht als bei uns? Gedenkt euch der Hände,

wie sie drucklos beruhen, obwohl in den Torsen die Kraft steht.

Diese Beherrschten wußten damit: so weit sind wirs,

dieses
ist unser, uns
so
zu berühren; stärker

stemmen die Götter uns an. Doch dies ist Sache der Götter.

Fänden auch wir ein reines, verhaltenes, schmales

Menschliches, einen unseren Streifen Fruchtlands

zwischen Strom und Gestein. Denn das eigene Herz übersteigt uns

noch immer wie jene. Und wir können ihm nicht mehr

nachschaun in Bilder, die es besänftigen, noch in

göttliche Körper, in denen es größer sich mäßigt.

THE SECOND ELEGY

Every angel is terrifying. And yet, alas,

I sing to you, almost fatal birds of the soul,

knowing what you are. Where are the days of
Tobias
,

when one of your most radiant stood at that simple doorway,

dressed for travel and no longer frightening

(to the youth who peered out curiously, a youth like him).

Were the archangel now to emerge from behind the stars

and take just one downward step this way:

our own thundering hearts would slay us. Who
are
you?

Favored first prodigies, creation's darlings,

mountain ranges, peaks, dawn-red ridges

of all genesis,—pollen of a flowering godhead,

links of light, corridors, stairs, thrones,

spaces of being, shields of rapture, torrents

of unchecked feeling and then suddenly, singly,

mirrors:
scooping their outstreamed beauty

back into their peerless faces.

For our part, when we feel, we evaporate; ah, we breathe

ourselves out and away; with each new heartfire

we give off a fainter scent. True, someone may tell us:

you're in my blood, this room, Spring itself

is filled with you … To what end? He can't hold us,

we vanish within him and around him. And the beautiful ones,

ah, who holds
them
back? Appearance ceaselessly

flares in their faces and disappears. Like dew from the morning grass

what is ours rises from us, the way heat rises

from a steaming dish. O smile, going where? O upturned look:

new, warm, receding surge of the heart—;

alas, we
are
that surge. Does then the cosmic space

we dissolve in taste of us? Do the angels

reclaim only what is theirs, their own outstreamed essence,

or sometimes, by accident, does a bit of us

get mixed in? Are we blended in their features

like the slight vagueness that complicates the looks

of pregnant women? Unnoticed by them in their

whirling back into themselves. (How
could
they notice?)

Lovers, if they only understood, might speak wondrously

in the night air. For everything, it seems,

seeks to conceal us. Look: the trees
exist;
the houses

we dwell in stand there stalwartly. Only we

pass by it all, like a rush of air.

And everything conspires to keep quiet about us,

half out of shame perhaps, half out of some secret hope.

You lovers, secure in one another, I ask you

about us. You hold each other. Have you assurances?

It sometimes happens that my hands

grow conscious of each other, or else my weary face

takes refuge in them. That gives me a slight

self-sensation. Yet who, from something so unwarranted,

would dare conclude, “I
am
”? You, though, who keep increasing

through the other's rapture, until, overwhelmed, each

begs the other: “No
more
”—; you who amid each other's hands

flourish like vines in vintage years;

you who disappear sometimes, only because the other

grows rampant; I ask you about us. I know

you touch so fervently because the caress preserves,

because the place you cover up, O tender ones,

doesn't disappear; because, underneath, you feel

pure permanence. Thus your embraces almost promise you

eternity. And yet, after you survive the terror

of the first look, and the long yearning at the window,

and that first walk—the one walk—together through the garden:

lovers, are you still the same? When you lift yourselves

each to the other's lips—drink unto drink:

O how strangely the drinker slips from the sacrament.

Remember those
Attic stelae
, how amazed you were at the caution

of human gestures; at the way love and parting were

laid so lightly on their shoulders, as if made of other stuff

than in our lives? And their hands, how they touched

without pressure, even though such power resides in the torsos.

Those self-mastered ones knew: we can go
this
far;

this much belongs to us, to touch each other
thus;
the gods

can grip us more forcefully. The choice is theirs.

If only we too could find some defined, narrow,

purely human place, our own small strip of fertile soil

between stream and stone. For even now our heart

transcends us, just as with those others. And no longer

can we gaze after it into pictures that soothe, or

into godlike bodies where it finds a grander restraint.

DIE DRITTE ELEGIE

Eines ist, die Geliebte zu singen. Ein anderes, wehe,

jenen verborgenen schuldigen Fluß-Gott des Bluts.

Den sie von weitem erkennt, ihren Jüngling, was weiß er

selbst von dem Herren der Lust, der aus dem Einsamen oft,

ehe das Mädchen noch linderte, oft auch als wäre sie nicht,

ach, von welchem Unkenntlichen triefend, das Gotthaupt

aufhob, aufrufend die Nacht zu unendlichem Aufruhr.

O des Blutes Neptun, o sein furchtbarer Dreizack.

O der dunkele Wind seiner Brust aus gewundener Muschel.

Horch, wie die Nacht sich muldet und höhlt. Ihr Sterne,

stammt nicht von euch des Liebenden Lust zu dem Antlitz

seiner Geliebten? Hat er die innige Einsicht

in ihr reines Gesicht nicht aus dem reinen Gestirn?

Du nicht hast ihm, wehe, nicht seine Mutter

hat ihm die Bogen der Braun so zur Erwartung gespannt.

Nicht an dir, ihn fühlendes Mädchen, an dir nicht

bog seine Lippe sich zum fruchtbarern Ausdruck.

Meinst du wirklich, ihn hätte dein leichter Auftritt

also erschüttert, du, die wandelt wie Frühwind?

Zwar du erschrakst ihm das Herz; doch ältere Schrecken

stürzten in ihn bei dem berührenden Anstoß.

Ruf ihn … du rufst ihn nicht ganz aus dunkelem Umgang.

Freilich, er
will,
er entspringt; erleichtert gewöhnt er

sich in dein heimliches Herz und nimmt und beginnt sich.

Aber begann er sich je?

Mutter,
du
machtest ihn klein, du warsts, die ihn anfing;

dir war er neu, du beugtest über die neuen

Augen die freundliche Welt und wehrtest der fremden.

Wo, ach, hin sind die Jahre, da du ihm einfach

mit der schlanken Gestalt wallendes Chaos vertratst?

Vieles verbargst du ihm so; das nächtlich-verdächtige Zimmer

machtest du harmlos, aus deinem Herzen voll Zuflucht

mischtest du menschlichern Raum seinem Nacht-Raum hinzu.

Nicht in die Finsternis, nein, in dein näheres Dasein

hast du das Nachtlicht gestellt, und es schien wie aus Freundschaft.

Nirgends ein Knistern, das du nicht lächelnd erklärtest,

so als wüßtest du längst,
wann
sich die Diele benimmt …

Und er horchte und linderte sich. So vieles vermochte

zärtlich dein Aufstehn; hinter den Schrank trat

hoch im Mantel sein Schicksal, und in die Falten des Vorhangs

paßte, die leicht sich verschob, seine unruhige Zukunft.

Und er selbst, wie er lag, der Erleichterte, unter

schläfernden Lidern deiner leichten Gestaltung

Süße lösend in den gekosteten Vorschlaf—:

schien
ein Gehüteter … Aber
innen:
wer wehrte,

hinderte innen in ihm die Fluten der Herkunft?

Ach, da
war
keine Vorsicht im Schlafenden; schlafend,

aber träumend, aber in Fiebern: wie er sich ein-ließ.

Er, der Neue, Scheuende, wie er verstrickt war,

mit des innern Geschehns weiterschlagenden Ranken

schon zu Mustern verschlungen, zu würgendem Wachstum, zu tierhaft

jagenden Formen. Wie er sich hingab—. Liebte.

Liebte sein Inneres, seines Inneren Wildnis,

diesen Urwald in ihm, auf dessen stummem Gestürztsein

lichtgrün sein Herz stand. Liebte. Verließ es, ging die

eigenen Wurzeln hinaus in gewaltigen Ursprung,

wo seine kleine Geburt schon überlebt war. Liebend

stieg er hinab in das ältere Blut, in die Schluchten,

wo das Furchtbare lag, noch satt von den Vätern. Und jedes

Schreckliche kannte ihn, blinzelte, war wie verständigt.

Ja, das Entsetzliche lächelte … Selten

hast du so zärtlich gelächelt, Mutter. Wie sollte

er es nicht lieben, da es ihm lächelte.
Vor
dir

hat ers geliebt, denn, da du ihn trugst schon,

war es im Wasser gelöst, das den Keimenden leicht macht.

Siehe, wir lieben nicht, wie die Blumen, aus einem

einzigen Jahr; uns steigt, wo wir lieben,

unvordenklicher Saft in die Arme. O Mädchen,

dies:
daß wir liebten
in
uns, nicht Eines, ein Künftiges, sondern

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