Read Ahead of All Parting Online
Authors: Rainer Maria Rilke
Sie hatten sich an ihn gewöhnt. Doch als
die Küchenlampe kam und unruhig brannte
im dunkeln Luftzug, war der Unbekannte
ganz unbekannt. Sie wuschen seinen Hals,
und da sie nichts von seinem Schicksal wußten,
so logen sie ein anderes zusamm,
fortwährend waschend. Eine mußte husten
und ließ solang den schweren Essigschwamm
auf dem Gesicht. Da gab es eine Pause
auch für die zweite. Aus der harten Bürste
klopften die Tropfen; während seine grause
gekrampfte Hand dem ganzen Hause
beweisen wollte, daß ihn nicht mehr dürste.
Und er bewies. Sie nahmen wie betreten
eiliger jetzt mit einem kurzen Huster
die Arbeit auf, so daß an den Tapeten
ihr krummer Schatten in dem stummen Muster
sich wand und wälzte wie in einem Netze,
bis daß die Waschenden zu Ende kamen.
Die Nacht im vorhanglosen Fensterrahmen
war rücksichtslos. Und einer ohne Namen
lag bar und reinlich da und gab Gesetze.
They had, for a while, grown used to him. But after
they lit the kitchen lamp and in the dark
it began to burn, restlessly, the stranger
was altogether strange. They washed his neck,
and since they knew nothing about his life
they lied till they produced another one,
as they kept washing. One of them had to cough,
and while she coughed she left the vinegar sponge,
dripping, upon his face. The other stood
and rested for a minute. A few drops fell
from the stiff scrub-brush, as his horrible
contorted hand was trying to make the whole
room aware that he no longer thirsted.
And he did let them know. With a short cough,
as if embarrassed, they both began to work
more hurriedly now, so that across
the mute, patterned wallpaper their thick
shadows reeled and staggered as if bound
in a net; till they had finished washing him.
The night, in the uncurtained window-frame,
was pitiless. And one without a name
lay clean and naked there, and gave commands.
Ein Gespenst ist noch wie eine Stelle,
dran dein Blick mit einem Klange stößt;
aber da, an diesem schwarzen Felle
wird dein stärkstes Schauen aufgelöst:
wie ein Tobender, wenn er in vollster
Raserei ins Schwarze stampft,
jählings am benehmenden Gepolster
einer Zelle aufhört und verdampft.
Alle Blicke, die sie jemals trafen,
scheint sie also an sich zu verhehlen,
um darüber drohend und verdrossen
zuzuschauern und damit zu schlafen.
Doch auf einmal kehrt sie, wie geweckt,
ihr Gesicht und mitten in das deine:
und da triffst du deinen Blick im geelen
Amber ihrer runden Augensteine
unerwartet wieder: eingeschlossen
wie ein ausgestorbenes Insekt.
A ghost, though invisible, still is like a place
your sight can knock on, echoing; but here
within this thick black pelt, your strongest gaze
will be absorbed and utterly disappear:
just as a raving madman, when nothing else
can ease him, charges into his dark night
howling, pounds on the padded wall, and feels
the rage being taken in and pacified.
She seems to hide all looks that have ever fallen
into her, so that, like an audience,
she can look them over, menacing and sullen,
and curl to sleep with them. But all at once
as if awakened, she turns her face to yours;
and with a shock, you see yourself, tiny,
inside the golden amber of her eyeballs
suspended, like a prehistoric fly.
In Spiegelbildern wie von Fragonard
ist doch von ihrem Weiß und ihrer Röte
nicht mehr gegeben, als dir einer böte,
wenn er von seiner Freundin sagt: sie war
noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins Grüne
und stehn, auf rosa Stielen leicht gedreht,
beisammen, blühend, wie in einem Beet,
verführen sie verführender als Phryne
sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche
hinhalsend bergen in der eignen Weiche,
in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt.
Auf einmal kreischt ein Neid durch die Volière;
sie aber haben sich erstaunt gestreckt
und schreiten einzeln ins Imaginäre.
With all the subtle paints of Fragonard
no more of their red and white could be expressed
than someone would convey about his mistress
by telling you, “She was lovely, lying there
still soft with sleep.” They rise above the green
grass and lightly sway on their long pink stems,
side by side, like enormous feathery blossoms,
seducing (more seductively than Phryne)
themselves; till, necks curling, they sink their large
pale eyes into the softness of their down,
where apple-red and jet-black lie concealed.
A shriek of envy shakes the parrot cage;
but
they
stretch out, astonished, and one by one
stride into their imaginary world.
Mitte aller Mitten, Kern der Kerne,
Mandel, die sich einschließt und versüßt,—
dieses Alles bis an alle Sterne
ist dein Fruchtfleisch: Sei gegrüßt.
Sieh, du fühlst, wie nichts mehr an dir hängt;
im Unendlichen ist deine Schale,
und dort steht der starke Saft und drängt.
Und von außen hilft ihm ein Gestrahle,
denn ganz oben werden deine Sonnen
voll und glühend umgedreht.
Doch in dir ist schon begonnen,
was die Sonnen übersteht.
Center of all centers, core of cores,
almond self-enclosed and growing sweet—
all this universe, to the furthest stars
and beyond them, is your flesh, your fruit.
Now you feel how nothing clings to you;
your vast shell reaches into endless space,
and there the rich, thick fluids rise and flow.
Illuminated in your infinite peace,
a billion stars go spinning through the night,
blazing high above your head.
But
in
you is the presence that
will be, when all the stars are dead.
Ich habe Tote, und ich ließ sie hin
und war erstaunt, sie so getrost zu sehn,
so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht,
so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst
zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst
an etwas stoßen, daß es klingt von dir
und dich verrät. O nimm mir nicht, was ich
langsam erlern. Ich habe recht; du irrst
wenn du gerührt zu irgend einem Ding
ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um;
es ist nicht hier, wir spiegeln es herein
aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.
Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrts,
daß
du
gerade irrst und kommst, die mehr
verwandelt hat als irgend eine Frau.
Daß wir erschraken, da du starbst, nein, daß
dein starker Tod uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an; das einzuordnen wird
die Arbeit sein, die wir mit allem tun.
Doch daß du selbst erschrakst und auch noch jetzt
den Schrecken hast, wo Schrecken nicht mehr gilt;
daß du von deiner Ewigkeit ein Stück
verlierst und hier hereintrittst, Freundin, hier,
wo alles noch nicht
ist;
daß du zerstreut,
zum ersten Mal im All zerstreut und halb,
den Aufgang der unendlichen Naturen
nicht so ergriffst wie hier ein jedes Ding;
daß aus dem Kreislauf, der dich schon empfing,
die stumme Schwerkraft irgend einer Unruh
dich niederzieht zur abgezählten Zeit—:
dies weckt mich nachts oft wie ein Dieb, der einbricht.
Und dürft ich sagen, daß du nur geruhst,
daß du aus Großmut kommst, aus Überfülle,
weil du so sicher bist, so in dir selbst,
I have my dead, and I have let them go,
and was amazed to see them so contented,
so soon at home in being dead, so cheerful,
so unlike their reputation. Only you
return; brush past me, loiter, try to knock
against something, so that the sound reveals
your presence. Oh don’t take from me what I
am slowly learning. I’m sure you have gone astray
if you are moved to homesickness for anything
in this dimension. We transform these Things;
they aren’t real, they are only the reflections
upon the polished surface of our being.
I thought you were much further on. It troubles me
that
you
should stray back, you, who have achieved
more transformation than any other woman.
That we were frightened when you died … no; rather:
that your stern death broke in upon us, darkly,
wrenching the till-then from the ever-since—
this concerns
us:
setting it all in order
is the task we have continually before us.
But that you too were frightened, and even now
pulse with your fear, where fear can have no meaning;
that you have lost even the smallest fragment
of your eternity, Paula, and have entered
here, where nothing yet exists; that out there,
bewildered for the first time, inattentive,
you didn’t grasp the splendor of the infinite
forces, as on earth you grasped each Thing;
that, from the realm which already had received you,
the gravity of some old discontent
has dragged you back to measurable time—:
this often startles me out of dreamless sleep
at night, like a thief climbing in my window.
If I could say it is only out of kindness,
out of your great abundance, that you have come,
because you are so secure, so self-contained,
*
daß du herumgehst wie ein Kind, nicht bange
vor Örtern, wo man einem etwas tut—:
doch nein: du bittest. Dieses geht mir so
bis ins Gebein und querrt wie eine Säge.
Ein Vorwurf, den du trügest als Gespenst,
nachtrügest mir, wenn ich mich nachts zurückzieh
in meine Lunge, in die Eingeweide,
in meines Herzens letzte ärmste Kammer,—
ein solcher Vorwurf wäre nicht so grausam,
wie dieses Bitten ist. Was bittest du?
Sag, soll ich reisen? Hast du irgendwo
ein Ding zurückgelassen, das sich quält
und das dir nachwill? Soll ich in ein Land,
das du nicht sahst, obwohl es dir verwandt
war wie die andre Hälfte deiner Sinne?
Ich will auf seinen Flüssen fahren, will
an Land gehn und nach alten Sitten fragen,
will mit den Frauen in den Türen sprechen
und zusehn, wenn sie ihre Kinder rufen.
Ich will mir merken, wie sie dort die Landschaft
umnehmen draußen bei der alten Arbeit
der Wiesen und der Felder; will begehren,
vor ihren König hingeführt zu sein,
und will die Priester durch Bestechung reizen,
daß sie mich legen vor das stärkste Standbild
und fortgehn und die Tempeltore schließen.
Dann aber will ich, wenn ich vieles weiß,
einfach die Tiere anschaun, daß ein Etwas
von ihrer Wendung mir in die Gelenke
herübergleitet; will ein kurzes Dasein
in ihren Augen haben, die mich halten
und langsam lassen, ruhig, ohne Urteil.
Ich will mir von den Gärtnern viele Blumen
hersagen lassen, daß ich in den Scherben
der schönen Eigennamen einen Rest
herüberbringe von den hundert Düften.
Und Früchte will ich kaufen, Früchte, drin
das Land noch einmal ist, bis an den Himmel.
*
that you can wander anywhere, like a child,
not frightened of any harm that might await you …
But no: you’re pleading. This penetrates me, to
my very bones, and cuts at me like a saw.
The bitterest rebuke your ghost could bring me,
could scream to me, at night, when I withdraw
into my lungs, into my intestines,
into the last bare chamber of my heart,—
such bitterness would not chill me half so much
as this mute pleading. What is it that you want?
Tell me, must I travel? Did you leave
some Thing behind, some place, that cannot bear
your absence? Must I set out for a country
you never saw, although it was as vividly
near to you as your own senses were?
I will sail its rivers, search its valleys, inquire
about its oldest customs; I will stand
for hours, talking with women in their doorways
and watching, while they call their children home.
I will see the way they wrap the land around them
in their ancient work in field and meadow; will ask
to be led before their king; will bribe the priests
to take me to their temple, before the most
powerful of the statues in their keeping,
and to leave me there, shutting the gates behind them.
And only then, when I have learned enough,
I will go to watch the animals, and let
something of their composure slowly glide
into my limbs; will see my own existence
deep in their eyes, which hold me for a while
and let me go, serenely, without judgment.
I will have the gardeners come to me and recite
many flowers, and in the small clay pots
of their melodious names I will bring back
some remnant of the hundred fragrances.
And fruits: I will buy fruits, and in their sweetness
that country’s earth and sky will live again.