Hard Man (20 page)

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Authors: Allan Guthrie

»Der bringt dich um, wenn er dahinterkommt«, sagte das Mädchen.

»Du …«, sagte der Junge, »… du bist’s wert, für dich zu sterben.«

»Du verlogener Schleimbeutel.«

Der Junge grinste. »Ich wird’s mal riskieren.«

»Ist das Liebe?«

»Und wie.«

»Ach, das ist schön. Mach weiter. Hast du Gummis dabei?«

»Ich wird nicht kommen, ja? Vertrau mir. Tu’s einfach. Na los. Genau.«

Und das da vor ihm war jetzt Mays Hund, nahm er an. Nein, doch nicht. Na ja, vielleicht schon, aber er hatte sich in diese Scheißwespe verwandelt und sagte: »Du hast die Kleine gefickt. Du hast sie schwanger gemacht. Du hast alles verdient, was du jetzt kriegst, verdammt noch mal, du bescheuerter Idiot.«

»Hörst du mir zu?«

Die Stimme. Wie hieß er noch? ‘n Hirn wie Suppe, ’n Hirn wie Leim, ‘n Hirn wie Brutzelspeck.
ZssssssJ
Wie ’ne brummende Wespe.
Zssssss!
Ins Wasser gefallen.

Schubiduuh.

Ich bin Popeye, der Matrose.

Grundgütiger]

»Hörst du mir zu?«

Neeeeeeeeeee. Okay.

Links herum. Nix. Rechts herum.

Kreuz. Jawoll. Jesus, jawoll. Der andere Typ.

Gott. Nein, Teufel. Boah, und ob. Die Haut im Gesicht von Wallace verschob sich auf- und abwärts, als müsste sie auf den Knochen drunter aufgenäht werden.

Schmerzen unter den Armen, als Wallace Jesus auf irgendwas Hartes hob und ihn festband. Versuchte, sich zu wehren, aber seine Muskeln waren Pudding, und sein Körper gehorchte nicht.

Urplötzlich alles klar. Adrenalinstoß. Verscheuchte die Wirkung der Magic Mushrooms lange genug, um zu denken: >Lass mich in Ruhe, Wallace, du fetter, beschissener Eselficker<, aber er konnte es nicht sagen. Macht der Sprache verweigert.

Fing den Blick von Pearce auf. Wirkte traurig, der Mann. Wird schon alles gut, Mann. Wird schon alles gut.

Ein Mann war zu hören, der weinte. Ach Pearce, du dickes Weichei. Aber Pearce weinte gar nicht. Er war es selbst. Er war das Weichei.

Nicht vor Schmerz. Noch nicht.
In trauernder Hinnahme deines Schicksals?
Vielen Dank, Mister Wespe. Das traf den Nagel auf den Kopf.

Jesus wusste, was abging. Musste sich nur durch das Feuerwerk in seinem Kopf durchkämpfen, sich konzentrieren.

Erinnerung.

Nein, nichts.

»Bist du noch da, Jesus?«

Der Typ - Wallace, so hieß er - von Angesicht zu Angesicht.

Und da war er selbst, an zwei Holzbretter gebunden. Das wusste er. Fühlte sich so weit ganz okay an. Was wurde da nur immer für ‘n Aufhebens gemacht?

Das Ende. Es war so weit. Für ihn.

Ba-bamm, ba-bamm, ba-bamm.
Herzschlag, oder saß er in einem Zug?

Ba-bamm, ba-bamm, ba-bamm.
Herzschlag. Kein Zug.

Wieder Weinen. Lauter. Heulen, das war das Wort dafür. Und dann: »Nein.« Dann:
Wamm!

Es dauerte einen Moment, bis es ankam, und dann schoss der Schmerz durch ihn hindurch. Kam aus der Mitte seiner Handfläche. Ein intensiver Schmerz, als hätte ihn eine riesige Wespe gestochen. Und die Hitze. Seine Hand stand in Flammen.

Wamm!

Und es tat so
weeeeh,
so furchtbar weh. Er schrie. »Das war die eine Hand«, sagte Wallace.
Wamm!

Keine Zeit, sich daran zu gewöhnen. Die andere Hand, jawoll, erledigt. Er schaute hoch, sah den Kopf des Nagels in seine Handfläche gebettet und musste kotzen.

»Du dreckiger Wichser. Ich hab was auf die Schuhe gekriegt.«

Jesus brüllte, ebenso sehr vor Wut wie vor Schmerz.

»Fällt dir sonst nichts ein?«

Wamm!

Japsen. »Ah, ah, ah!«, es half nichts, musste aber sein.
Wamm!

Wenn der Schmerz so schlimm wird, ist er schon fast wieder komisch.
Warum, wamm!
Er kreischte.

»Ach, halt die Fresse, Jesus. Das war erst der leichte Teil. Jetzt kommt was, wo’s ‘n bisschen heftiger werden könnte. Muss das Scheißding erst mal mit ’n paar richtig fetten Nägeln nachladen. Schau dir mal diese dicken Prachtstücke an.«

Jesus wollte nicht hinschauen, aber irgendwie drehte sich sein Kopf in Richtung Wallace.

Die Nagelpistole war schwarz-gelb, wespenschwarz, wespengelb. Wallace fummelte am Nagelmagazin herum, das sich schräg nach unten öffnete. Jesus erhaschte einen Blick auf einen Nagel, und der war scheißmächtig. Er schrie erneut vor Schmerz in seiner Hand. Zerrte, hörte aber auf, weil es zu sehr wehtat. Und dann schrie er bei der Vorstellung des Schmerzes, den er noch spüren würde.

»Der Nagel muss so groß sein, dass er durch deine beiden Füße passt.«

Jesus brüllte wieder, hörte nicht mehr auf, mit weit offenem Mund, sodass Wallace, als er die Pistole fertig geladen hatte, schreien musste, um sich Gehör zu verschaffen. »Jetzt hol mal tief Luft, du dreckiger kleiner Wichser«, sagte Wallace. »Das tut jetzt nämlich
richtig
weh.«

 

Pearce versuchte, nicht hinzusehen, versuchte, nicht hinzuhören. Zu sehen, wie Jesus ermordet wurde, machte jede Glaubwürdigkeit zunichte, die Wallaces Behauptung, er habe Hilda nicht umgebracht, sonst vielleicht gehabt hätte. Natürlich hatte Wallace Hilda umgebracht. Er war ganz klar ein sadistisches Schwein. Und überhaupt, wenn Wallace ihn nicht umgebracht hatte, wer denn dann, Scheiße noch mal?

Pearce musste sich distanzieren. Er fing an, hier Gefühle zu entwickeln. Er musste Distanz aufbauen, musste, solange er konnte, klar weiterdenken. Distanz. Na los!

Jesus bedeutete ihm nichts. Zugegeben, Pearce bereitete es keinen besonderen Spaß, zuzusehen, wie ein anderer Mensch gekreuzigt wurde, doch letztlich war das eine Sache zwischen Wallace und dem Gesetz. Aber Wallace hatte Pearce mit Drogen versetzten Tee eingeflößt, und Pearce hasste Drogen. Und Wallace hatte Pearces Hund umgebracht. Und das war der Hauptgrund, weshalb Pearce stinkwütend war.

Aber das hier auch. Er konnte es nicht abstreiten. Er wollte das nicht hören. Da war es wieder. Ein weiterer Nagel, der in Jesus’ Fuß donnerte. Und dieses verdammte infernalische Kreischen.

Distanz, verflucht!

Tierheim.

»Was für ‘ne Sorte ist ’n das?«

»Ein Terrier. Dandie Dinmont. Die sieht man nicht allzu oft.«

»Und wieso?«

»Keine Ahnung. Die sind teuer.«

»Ach was?«

»Schauhunde.«

»Man sollte meinen, die Leute würden Schlange stehen nach so ‘nem kleinen Vieh.«

»Der wäre weg wie der Blitz, war da nicht… das Bein.«

Na, ihm fehlte also ‘n Bein. Ja und, verflucht? »Aber er kommt doch trotzdem klar, oder? Er hat doch keine Schmerzen?«

»Das Bein ist ihm schon vor langer Zeit abgenommen worden, ‘ne alte Kriegsverletzung. Er ist bei uns so abgegeben worden. Scheint sich total wohlzufühlen mit seinen drei Beinen.«

Pearce bückte sich und streichelte dem kleinen Scheißer den Kopf. Der Hund war überwiegend weiß mit braunen Flecken entlang der Wirbelsäule. Hatte eine tonnenförmige Brust wie ein Dackel. Ein quirlig wirkendes kleines Mistvieh.

»Mir scheint, er mag Sie«, sagte das Mädchen.

»Meinen Sie?«

Es war etwas im Gange inzwischen. Wallace wuchtete das Kreuz vom Boden, hob es sich auf die Schulter und schleppte es zur Wand. Jesus brüllte lauter.

»So, fürs Erste passiert dir jetzt mal noch nichts«, rief Wallace. »Ich hab meine Hausaufgaben gemacht. Ich wird das Kreuz an die Wand lehnen. Dadurch wird deine Brust nicht einfallen, und du erstickst nicht. Denn das war zu schade. Ich will, dass das so lange dauert wie nur möglich.«

Er stieß das Kreuz an die Wand, und mit einem dumpfen Knall traf es auf die Eierkartons, die wohl zumindest einen Teil des Rucks dämpften. Wallace richtete es auf und blickte Pearce an. »Ich lass das Licht an«, sagte er, »damit du zuschauen kannst. Ich bin mal weg und hole noch jemanden, der das sehen muss. Ich bin sicher, ihr könnt ein bisschen Gesellschaft gebrauchen, stimmt’s? Vielleicht fickt sie sogar mit dir, wenn du sie nett drum bittest.«

Quietschend öffnete sich die Tür. Knallte zu. Dann hörte Pearce das metallische Schaben eines Riegels, der auf der anderen Seite vorgeschoben wurde.

Wallace war weg, um May zu holen. Jetzt ergab alles einen Sinn. Pearces Bank, die Matratze, die Fesseln, alles war schon da gewesen. Darüber hatte Pearce die ganze Zeit nachgedacht. Wallace hatte recht gehabt, Pearce
war
ein blöder Arsch. Alles war geplant gewesen. Bloß nicht für Pearce. Wenn Pearce nicht aufgekreuzt wäre, würde May an seiner Stelle hier liegen. Eines hatte er möglicherweise für sie getan - er hatte ihr einige Zeit verschafft.

Pearce blickte zu Jesus und wünschte, Wallace hätte das Licht ausgeknipst. Das einzig Gute war, dass das aufgrund der Schmerzen und der Angst ausgeschüttete Adrenalin vielleicht verhinderte, dass Jesus’ Hirn von den Magic Mushrooms zermatscht wurde. Aber das war vermutlich Wunschdenken. Er sah eigentlich ziemlich zermatscht aus, verdammte Scheiße.

CRASH

 

»Meinst du, ich brauch das?«, sagte May und beäugte ihren Bruder. Sie kam momentan total gut ohne diesen ganzen Scheiß aus. Sie hatte sich letzte Woche mit ihrer besten Freundin, Joanne, überworfen. Die fette Kuh dachte, sie wüsste alles besser. Meinte, May sollte endlich mit der Wahrheit herausrücken. Da war überhaupt nicht dran zu denken, und jetzt schon erst recht nicht mehr, nach dem, was Flash ihr gerade erzählt hatte. Es wäre also sowieso alles Scheiß gewesen, bei allem, was passiert war. Aber zu allem Überfluss hatte May auch noch ihre Tage und hätte sich am liebsten einfach nur mit ‘ner Wärmflasche auf dem Bauch hingelegt und ausgeheult. Schön, sie war auf dem besten Weg dazu. Hingelegt hatte sie sich schon. Aber eine Wärmflasche konnte sie aus offensichtlichen Gründen nicht benutzen. Und heulen würde sie vor ihrem Bruder auch nicht. Überhaupt war alles ein Riesenschlamassel.

Flash setzte sich neben sie aufs Bett und steckte das Messer wieder in die Lederscheide. Schnuckelchen knurrte ihn an, und als May zu Schnuckelchen sagte, er solle sich benehmen, legte er den Kopf wieder in ihren Schoß.

»Sicher ist sicher«, sagte Flash.

»Was geht da eigentlich ab, Flash? Ihr denkt zwar alle, ich war bescheuert oder so, aber ich weiß genau, dass da irgend’ne ganz miese Scheiße abgeht. Sag mir die Wahrheit.«

»Nur eine Vorsichtsmaßnahme«, sagte Flash. »Zuerst hat es Louis erwischt, dann Rog.« Er zuckte die Achseln. »Na ja, man kann nie wissen.«

»Wie hast du das gemeint mit Louis?«

Flash konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Ach, na ja«, sagte er. »Du weißt schon.«

»Ich weiß überhaupt nichts, verdammte Scheiße! Versuch nicht dauernd, mir was zu verheimlichen, und sag mir endlich, was los ist. Wieso habt ihr mich Louis nicht sehen lassen? Das war nicht, weil er überfahren worden ist, oder? Und ihr wisst, wer auf Rog geschossen hast, stimmt’s?«

Flash erzählte ihr die Wahrheit.

Sie war nicht erstaunt. Wallace war ein mieses Schwein, auch wenn er sie immer ziemlich gut behandelt hatte. Manchmal machte er einem ein bisschen Angst, okay. Sagte ihr, sie könne ihn nicht verlassen, weil er nicht wüsste, was er dann tun würde. Na ja, das war mit ein Grund, weshalb sie ihn nicht verlassen hatte, oder? Sie hatte ihn nicht verlassen. Er hatte sie rausgeschmissen. Aber ein Schock war es nicht, zu erfahren, dass er nach wie vor sauer war. Es war alles ihre Schuld. Das war ihr klar. »Ihr
denkt,
es war Wallace«, sagte sie.

»Na ja, alles weist auf ihn hin.«

»Ich
weiß,
dass er’s war, verdammt noch mal.« Sie nahm das Messer von Flash und steckte es in ihre Handtasche. »Wieso habt ihr nichts unternommen?«

»Wie meinst du das?«

»Du weißt genau, was ich meine. Wieso seid ihr nicht rüber zu Wallace gegangen und habt das Schwein umgebracht?«

»Na ja, er hat ‘ne Kanone, oder?«

»Hat er nie gehabt«, sagte May. »Als wir zusammen waren, war er mit seinen Fäusten mehr als zufrieden.«

Flash erzählte ihr von Rogs Besuch bei Wallace. Erklärte genau, was Rog vorgehabt hatte. Dass es nicht gelaufen war wie erhofft.

»Und das hat Rog für mich machen wollen?«

Flash nickte. Nach einer Minute fragte er: »Alles in Ordnung?«

»Lass mich allein«, sagte sie.

»Mir tut die ganze Sache total leid, May. Es wird alles wieder gut.«

»Ich hab gesagt, du sollst mich allein lassen, verflucht!« Sie hielt inne. »Bitte, Flash.«

Flash stand vom Bett auf und schlurfte mit hängenden Schultern zur Tür.

May wünschte wirklich, Brian wäre nicht einfach abgehauen. Noch am gleichen Abend, als sie ihm erzählt hatte, dass Wallace von ihrer Nummer erfahren hatte. Schwupp! - weg war er. Tschüssikowski. Hatte sich nicht mal verabschiedet. Behauptete immer, ‘n tougher Kerl zu sein, aber wenn es hart auf hart kam, hatte er keinen Mumm. Sie hätte die Hilfe des feigen, Gedichte schreibenden Wichsers jetzt gut gebrauchen können. Das würde sie lehren, sich von ’nem Jambo bumsen zu lassen. Hearts-Fans konnte man eben nicht trauen.

Sie machte ihre Handtasche auf und nahm das Messer heraus, das Flash ihr gerade gegeben hatte. Zog die Scheide herunter. Die dünne Klinge funkelte. An dem schwarzen Plastikgriff hing ein Preisschild.
Scottish Dirk
stand darauf.
Edelstahlklinge. £ 39.99.
Scheiße, das war eine Menge Geld. Und Flash war losgegangen und hatte es extra für sie gekauft. Das war total lieb. Sie hatte echt zwei super Brüder. Es war eine ganze Weile her, dass sie etwas geschenkt bekommen hatte, auch wenn er es garantiert in einem Andenkenladen auf der Royal Mile gekauft hatte. Sie machte eine Stichbewegung in die Luft vor ihr. Fühlte sich gut an.

»Hallo, Dirk«, sagte sie zu dem Messer.

Brian. Scheiße. Er fehlte ihr, vor allem jetzt, wo Joanne nicht mehr mit ihr redete. Sie hätte ihm liebend gern Dirk gezeigt. Sie öffnete die Handtasche und holte das Gedicht heraus, das er für sie geschrieben hatte, nachdem sie ihm erzählt hatte, dass sie schwanger war. Sie hatte entdeckt, dass er jede Menge Gedichte geschrieben hatte, doch das hier war das erste, das er irgendjemandem gezeigt hatte. Sie las es zum hundertsten Mal. Er hatte sich vielleicht verpisst wie der letzte Wichser, nachdem Wallace das mit ihnen spitzgekriegt hatte, aber in Rechtschreibung war er gut und reimen konnte er auch. Und es war total süß, dass er so sicher war, dass sie einen Jungen bekommen würde. Sie fragte sich, wohin Brian den Abflug gemacht hatte. Natürlich war sie sauer auf ihn, aber trotzdem hoffte sie, dass er glücklich war, wo immer er auch sein mochte. Der Wichser.

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