Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (7 page)

Übertrieben langsam und gemächlich, als wolle er andeuten, dass sie seine sichere Beute waren, ging er auf sie zu. Er senkte seine Stimme und flüsterte:

»Ich habe euch eine beschissene Frage GESTELLT!« Und schrie das letzte Wort laut heraus.

»Seht mich an. SEHT MICH AN!«

Gebückt erhoben sie die Köpfe. Ihre Augen flackerten, sahen überall hin, bloß nicht zu ihm.

»Ihr
solltet
euch schämen. Lasst bloß die Schläuche fallen ― was ihr da tut, steht euch nicht zu. Was habt ihr euch dabei gedacht?«

Roach und Parfitt blinzelten einander an, aber keiner sagte ein Wort. Das klagende Seufzen und Zischeln von
WEISS-047 hinter ihnen zitterte wie die unkontrolliert zuckenden Muskeln der Kuh. Snipe sah von Gesicht zu Gesicht und schlug Roach dann auf die Wange. Das Geräusch des Schlags hallte durch die Stille. Roachs Augen blitzten weiß auf, aber seine Wut wurde von der Schwerkraft bezwungen. Er starrte auf seine Füße herab.

»Ich frage euch ein letztes Mal. Und es ist mir gleich, wer mir antwortet. Aber ich will es wissen. Ich möchte es aus euren Mündern hören. Was habt ihr euch dabei gedacht?«

»Ich ...«, begann Parfitt. »Also sie ... sie war schmutzig, Sir.«

»Alle Kühe sind schmutzig. Was macht diese zu einer Ausnahme?«

»Sie war ... voller Scheiße, Mr. Snipe«, sagte Roach, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte.

Vielleicht, dachte Snipe, glaubt er ja, ich wolle ihnen die Möglichkeit geben, sich für ihr Verhalten zu entschuldigen.

»Harrison und Maidwell sind ganz bestimmt nicht gerade die Hellsten«, sagte Snipe. »Aber ihr beiden, ihr seid mit Abstand die dämlichsten Melkhilfen, mit denen ich jemals das Pech hatte zu arbeiten. Ich wette, diese Kuh hat mehr in der Birne, als ihr beiden zusammen. Seit wann seid ihr Schlachtarbeiter?«

Die beiden Jungen schauten sich erneut an, ahnungslos, welche Antwort von ihnen erwartet wurde.

»Bei unserem geliebten Vater von Abyrne, das ist eure letzte Chance, mir zu antworten, bevor ich Mr. Magnus persönlich Bericht erstatte.«

»W .. wir sind keine Schlachtarbeiter, Sir«, sagte Parfitt.

»Warum erledigt ihr dann die Arbeit eines Schlachtarbeiters? Was bildet ihr euch ein, dass ihr glaubt, ihr wäret dafür qualifiziert, hä?«

»Das sind wir nicht«, sagte Roach.

»Oh? Ihr wisst also, welchen Job ihr tatsächlich erledigen solltet? Na, das ist schön zu hören. Einen kurzen Augenblick lang dachte ich, euch stünde der Sinn nach einer Beförderung auf einen Posten außerhalb des Milchhofs. Ihr habt nicht den blassesten Schimmer, wie sehr ich es vermisst hätte, euch hier bei mir zu haben.« Er stellte sich zwischen sie und WEISS-047. »Bleibt, wo ihr seid. Ich bin noch nicht fertig mit euch.«

Er öffnete die großen hölzernen Melkstandtüren und scheuchte WEISS-047 aus ihrer Ecke in Richtung des Geheges. Wesentlich mehr gekrümmt als sonst, hoppelte die Kuh hinaus. Er zeigte auf das Tier und rief einem der Viehtreiber zu: »Fehlt euch eine?« Der Treiber nickte. Snipe nickte zurück und zog die Türen wieder zu.

Er registrierte, dass die beiden idiotischen Melkgehilfen sich inzwischen miteinander abgesprochen haben mussten. Parfitt übernahm den Part des Sprechers, da Roach bereits eine Ohrfeige kassiert hatte.

»Sir, wir haben uns nichts Böses dabei gedacht. Die Kuh war von oben bis unten eingesaut, deshalb wollten wir sie sauber machen. Es wird nicht wieder vorkommen.«

Snipe starrte sie an und setzte dann ein ungläubiges Grinsen auf.

»Ihr denkt wohl, ich sei von gestern. Glaubt ihr allen Ernstes, ich würde euch diesen Mist abnehmen? Ihr habt vorsätzlich eine Kuh von der Herde getrennt und sie mit Hochdruckschläuchen misshandelt. Schläuche, die ― wie euch wohl bewusst ist ― dazu gedacht sind, Kacheln, Ziegeln und Beton von verkrusteter Scheiße zu säubern. Was glaubt ihr eigentlich, was dieser Wasserdruck mit dem Körper eines Tieres anstellt? Es würde mich sehr überraschen, wenn diese Kuh jetzt keine lädierte Ware wäre. Möglicherweise sogar weiterverarbeitet werden muss.«

»Es ist doch nur Wasser, Sir. Kann so viel Schaden doch nicht angerichtet haben«, entgegnete Roach.

Snipes Lächeln veränderte sich.

»Wisst ihr, was Rory Magnus mit Angestellten macht, die sein Vieh misshandeln?«

Beide wurden kreideweiß.

»Sie werden uns doch nicht anschwärzen, Sir?«, fragte Parfitt. »Das können Sie nicht machen ... ich meine, wir brauchen diesen Job. Unsere Familien brauchen unsere Hilfe, um durchzukommen.«

»Darüber hättet ihr nachdenken sollen, bevor ihr beschlossen habt, euch an Rory Magnus' Besitz zu vergreifen.«

»Bitte, Sir. Das Tier hat doch keinen Schaden genommen. Es war schließlich bloß ein harmloses ...«, erwiderte Roach und brach dann frustriert ab.

Snipe legte einen Ellbogen auf die Handfläche und trommelte mit den Fingern der anderen Hand auf seiner Unterlippe.

»Ich lasse euch die Wahl«, sagte er. »Eine ganz einfache Wahl. Entweder ich schicke euch jetzt mit einem Verwarnungsschreiben rüber zum Anwesen. Oder ihr findet selbst heraus, wie
harmlos
es am anderen Ende eines dieser Dinger wirklich zugeht.« Er zeigte auf die steifen Schläuche zu seinen Füßen.

»Aber, Sir ...«

»Es ist eine einfache Wahl, Roach. Selbst ein Kretin wie du kennt die richtige Antwort. Zieht die Kittel aus, alle beide. Macht schon. Und werft eure Kleider dort drüben auf einen Haufen.« Snipe bückte sich und hob beide Schlauchdüsen. »Dann wollen wir doch mal sehen, ob sich zwei derart hartnäckige Fälle von Dummheit abwaschen lassen.«

Sie glichen Tieren so sehr, dass die Leute in der Stadt längst vergessen hatten, wer die Auserwählten tatsächlich waren. Vergessen oder verdrängt. Shanti hatte es allerdings nicht vergessen. Wie konnte er, wenn er jeden Tag mit ihnen arbeitete, wenn er ihrem gutturalen Flüstern und den Klopfsignalen auf den Wänden lauschte?

Wie konnte er, wenn er in ihre Augen sah, während er die Bolzenschusspistole auf ihre Stirn setzte?

 

Im Zwielicht erblickte sie ihn. Die drahtigen Sehnen, der Schweißfilm, das gegen seinen Rücken hämmernde Bündel, die gekrümmten Beine, das bußfertige Lächeln. Ihre Augen weiteten sich, die Pupillen schwammen auf einer weißen Welle des Zorns. Sie wollte schreien.

Sie stellte ihn, als er sich vor dem alten Kübel mit kaltem Wasser übergoss. Die Hände in die Hüften gestemmt, ihre Augen in der Dämmerung leuchtend, begann sie mit nur vier Worten.

»Du hast es versprochen.«

Er konnte sie nicht ansehen. Dieser verdammte Feigling. Dieser willenlose, erbärmliche Feigling.

»Du scherst dich um niemanden außer um dich selbst!«

Er biss die Zähne zusammen. Seine Rippen hoben und senkten sich heftig, während sein Körper sich von den Strapazen des Laufs erholte.

»Du kannst mich nicht manipulieren, Maya. Das ist falsch. Es ist nicht aufrichtig.«

»Wenn ich dich einfach nur frage, geschieht ohnehin nichts. Hier geht es nicht um deine Moral, Richard Shanti. Hier geht es darum, deiner Familie zur Seite zu stehen. Darum, für andere da zu sein. Mitgefühl zu zeigen.«

Sein Temperament ging mit ihm durch.
»Es ist nichts, absolut
nichts
Mitfühlendes daran, unsere Kinder mit Fleisch zu füttern.«

Maya schnaufte vor Empörung.

»Tatsächlich? Nun, vielleicht kannst du das ja dem Doktor erklären. Vielleicht kannst du es Hema und Harsha erklären. Und vielleicht«, ihre Stimme brach, halb weinte sie, halb schrie sie ihn an, »kannst du es der Fürsorge erklären, wenn sie nächste Woche kommt, um in unserem Leben herumzuschnüffeln.«

Er griff nach seinem zerlumpten alten Handtuch und rannte, immer noch tropfnass, ins Haus.

»Welcher Doktor? Was ist passiert?«

Sie folgte ihm nach oben ins Schlafzimmer der Mädchen, wo er neben ihren Kojen stand und ihnen abwechselnd die dürren Finger seiner Hand auf die Stirn legte.

»Sie sind brennend heiß.«

Sie stand im Türrahmen und schüttelte den Kopf. »Was haben sie?«, fragte er.

»Es ist eine Art Grippe. Viele Kinder haben sie gerade.« »Aber sie waren diese Woche gar nicht in der Schule.« »Das habe ich Dr. Fellows auch gesagt. Er meinte, dieses

Virus habe eine lange Inkubationszeit. Es sei nicht weiter

ungewöhnlich.«

Er drehte den Kopf zu ihr.

»Werden sie wieder gesund?«

»Sie werden die Infektion überstehen, wenn es das ist, was du meinst. Aber es gibt noch ganz andere Probleme.« Er stand auf und sah sie an.

»Was meinst du damit?«

»Der Doktor war beunruhigt, weil die Mädchen untergewichtig sind.«

»Nein, nein, Maya. Darüber haben wir doch gesprochen. Warum hast du ihm nicht gesagt, dass ihr Gewicht absolut
normal für sie ist? Ich habe es dir zigmal erklärt, dass es das ist.«

Harsha versuchte, sich aufzusetzen. Schließlich gelang es ihr, sich auf den Ellbogen zu stützen.

»Der Doktormann hatte kalte Hände, Papa. Er hat gesagt, wir essen nicht genug Potetin.«

»Leg dich wieder hin, Süße«, sagte Richard, »Du musst dich ausruhen, dann geht es dir bald besser. Papa bringt dir etwas Protein.«

Maya bedeutete ihm, nach unten zu gehen und dort auf sie zu warten. Sie wischte den Mädchen die Stirn mit einem feuchten Lappen ab, küsste ihre Wangen und sagte: »Ich komme und sehe nach euch. Ruft nach mir, wenn ihr mich braucht.«

In der Küche stand Richard mit den Handflächen auf die Fensterbank gestützt und starrte nach draußen in die Dunkelheit. Er ließ den Kopf hängen, und Maya sah, dass seine Schultern bebten. Ihr Herz war hart.

»Ich kann nicht glauben, dass es erst so weit kommen musste, bevor du beginnst, dich um deine Kinder zu sorgen. Sie sind zu dünn, Richard. Wir alle sind zu dünn. Und du, du schaufelst dir dein eigenes Grab mit deiner bescheuerten Lauferei. Kein Mensch kann das ertragen, was du deinem Körper zumutest. Warum tust du uns das bloß an?«

Der Mann, der sich nun umdrehte, um sie anzusehen, war ein müdes, altes Wrack. Sein Gesicht hatte kein Fleisch mehr auf den Knochen, es bestand nur noch aus tiefen Furchen. Seine Haut war teigig und fleckig rot vom Weinen. Hätte sie ihn in den letzten zehn Jahren nicht gesehen und wäre ihm überraschend so begegnet: Sie hätte ihn nicht erkannt.

»Weil ich mir Sorgen um euch mache. Sorgen um euer Seelenheil. «

»Richard, dieses Leben schert sich nicht um die Seele.

Du solltest dir eher Sorgen um unser körperliches Wohl machen. Du musst dich um uns kümmern. Wenn du das nicht tust, sind unsere Seelen bald alles, was dir von uns noch bleibt.«

Sie beobachtete seine Augen. Geliebter Vater, dachte sie, er versteht es wirklich nicht. Er würde uns eher im Namen irgendeiner undefinierbaren Rechtschaffenheit sterben lassen, als ein gesundes Leben zu führen.

»Richard,
bitte.
Es ist deine Pflicht als Ehemann und Vater, für uns da zu sein, für uns zu sorgen. Und du könntest dich kaum in einer besseren Position befinden, das zu tun. Die meisten der Männer, mit denen du arbeitest, haben keine solch großzügige Fleischgratifikation, wie du sie hast. Und du weigerst dich, deine zu nutzen. Währenddessen nagt deine Familie am Hungertuch.«

»Ihr nagt nicht am Hungertuch«, flüsterte er.

»Erzähl das dem Pastor von der Fürsorge. Er kommt am Montagabend. Er wird zum Essen hier sein und erwartet, dass Fleisch auf dem Tisch steht. Wenn es das nicht tut, werde ich gehen und die Zwillinge mitnehmen. Und, Richard Shanti, wenn das passiert, das schwöre ich dir, wirst du uns nie mehr wieder zu Gesicht bekommen.«

 

Der zweite Melkgang war beendet, die Melkhilfen hatten Sekunden nach Schichtende ausgestempelt, und Snipe war mit der Herde allein.

Während er die Reihen abschritt, tastete er nach dem Gläschen »Schönheitsbalsam« in seinem Kittel. Der größte Teil der Herde war bereits zurück auf den Weiden und Futtergründen, aber die, um die er sich kümmern musste, waren noch da. WEISS-1260, WEISS-091, WEISS-7650 und einige andere harrten erwartungsvoll seiner Fürsorge. Er widmete jeder von ihnen seine volle Aufmerksamkeit,
blickte aber immer wieder auf, hinüber zu einer Melkbox am hinteren Ende des Melkstands, wo immer noch WEISS-047 angekettet war. Sie war in Sicherheit, dank ihm. Nachdem was die Melkhilfen ihr am Vortag angetan hatten, musste sie traumatisiert sein. Das konnte sie anfälliger für Krankheiten machen und womöglich sogar einen negativen Effekt auf ihr Ertragsvolumen haben. Kühe waren wesentlich stressanfälliger, als die Richtlinien der Geschäftsführung es berücksichtigten.

Darum bemüht, seine Stimme und Bewegungen gleichermaßen besänftigend zu halten, ging er von Tier zu Tier. Dabei dachte er ununterbrochen an WEISS-047 und ihre klaren, leuchtenden Augen. Er dachte daran, was er fühlte, wenn er sie betrachtete. Er hatte all seinen Zorn an Roach und Parfitt ausgelassen. Sie hatten bis zum Ende der Schicht durchgehalten, aber jede Bewegung hatte ihnen unerträgliche Schmerzen verursacht. Die Schläuche hatten ihre bleiche Haut malträtiert und ihre geschlossenen Augen beinahe aus den Höhlen gespült. Er hatte den Wasserstrahl über jeden Teil ihres Körpers wandern lassen, bis sie kaum noch damit nachkamen, ihre Hände schützend von den Weichteilen zum Gesicht und wieder zurück zu ziehen. Er war ihnen ständig einen Schritt voraus. Als er ihre Genitalien traf, dürfte es einer Reihe kräftiger Tritte gleichgekommen sein. Wenn sie sich von ihm wegdrehten, zielte er auf ihre Hinterköpfe. Sie wurden beinahe ohnmächtig von dem Druck. Dann wären die Ritzen ihrer dürren Ärsche an der Reihe gewesen. Die Wasserstrahlen hätten sich zweifellos ihren Weg hineingebahnt. Nachdem er mit ihnen fertig war, war ihre Haut rot und wund von den Liebkosungen des eisigen Sperrfeuers. Sie heulten und kotzten und schissen helles braunes Wasser, während sie vor ihm davonliefen. Er blieb einige Minuten zitternd stehen, unfähig sich zu bewegen und diesem Ort, an
dem WEISS-047 schlotternd vor ihm gestanden hatte, den Rücken zuzukehren. Im Umkleideraum drohte er beiden mit Kündigung und teilte ihnen mit, dass er ihre Lohntüte um einen Tagessatz erleichtern würde. Keiner von beiden hatte auch nur ein Wort darauf erwidert. Dann machte er ihnen klar, dass er Magnus die ganze Wahrheit erzählen würde, sollten sie in Betracht ziehen, sich krankzumelden.

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