Hard Man (14 page)

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Authors: Allan Guthrie

Norrie drehte den Kopf, um Jacob anzuschauen. Jacob schlug die Augen auf, lächelte »… so weit«, sagte er und stieß die Hüften nach oben.

Norrie drückte ihm die Hand, Jacob erwiderte den Druck. Und Norrie spürte, wie er selbst den
point of no return
erreichte.

Liebe hatte es schon immer viel mehr gebracht als Sex.

Als fünf Minuten später alles wieder sauber war, sagte das Mädchen zu Norrie: »Wer ist eigentlich der Typ, wo Sie immer so tun, als ob er hinten sitzt, und den Sie Boss nennen?«

Norrie gab ihr einen Klaps und sagte ihr, sie solle sich um ihren eigenen Kram kümmern. Sie verschwand schlagartig, einfach so, wie wenn man mit dem Finger schnippt, schnipp,
pfff1.,
und tschau. Und, nichts da, scheiß auf die Böse-Worte-Kasse, Jacob war weg.

Eine der Nebenwirkungen des Unfalls war, dass er Sachen sehen konnte, die real gar nicht da waren. Er konnte sich vorstellen, er würde fernsehen, die Bilder im Kopf erfinden, und sein Gehirn reagierte darauf genau so, als würde er in Wirklichkeit fernsehen. Soweit es ihn betraf, war es die Wirklichkeit. Wie lebhaftes Träumen, aber während er wach war. Konnte Spaß machen manchmal. Er hatte gelernt, es zu bestimmten Gelegenheiten zu kontrollieren, so wie an diesem speziellen Nachmittag mit Jacob.

Er nahm den Revolver vom Becherhaken. Smith & Wesson, Kaliber .38. Peng, peng, peng! Rauch. Wusste nicht recht, ob er sie noch behalten sollte, aber er brauchte sie zu seinem Schutz. Er hängte sie wieder hin, sah sie hin und her baumeln, während im Kessel das Wasser kochte.

Egal, Dinge zu sehen war nicht die schlimmste Fol…ge des Unfalls. Nach manchen Wörtern musste er suchen, klar, blieb mittendrin stecken, aber das Schlimmste war, dass er weiterhin vollkommen klar dachte und sich nicht sicher war, ob andere Leute das auch taten. Etwa wenn er sich irgendwas ausdachte, irgendwas, was ganz offensichtlich erledigt werden musste, dann verwunderte es ihn immer, wenn andere Leute mit etwas ganz anderem Offensichtlichen daherkamen. Es war schwer zu erklären. Vielleicht war es ja wie bei diesem Terminator aus den Sci-Fi-Filmen. Das Offensichtliche, was man mit Leuten machen musste, die einem im Weg waren, war, sie abzuknallen. Na ja, so sah Norrie das. Und er musste den Mund darüber halten, denn er wusste, dass niemand sonst das so sah. Nicht jeder mit einer Hirnverletzung war bescheuert, klar?

 

Der Große rannte in Pearce rein - oder vielleicht war es auch umgekehrt - und sagte: »Hey, Mann. Cool bleiben, hm?« Er war um die fünfzig. Er riss die Augen auf, und die Muskeln um seinen Mund zuckten. Ein Wunder, dass seine Nase nicht zuckte, bei so viel Aftershave, wie der aufgelegt hatte. Der Typ war auf Droge. Trotzdem kein Grund, unverschämt zu werden. Der Wichser grinste.

An einem anderen Tag hätte Pearce ihn vielleicht laufen lassen. Aber nachdem er herausgefunden hatte, dass Hilda tot war, war er nicht sehr vernünftig und auch nicht sehr duldsam. Nach dem Gespräch mit Flash war er geradewegs aus dem Haus gestürmt, bevor er noch etwas tat, was er später bereuen würde. Er war zum Strand gelaufen und stapfte jetzt gerade in wütendem Sturmschritt die Promenade entlang. Ohne Ziel. Nur um in Bewegung zu bleiben, sonst wäre er explodiert.

Dieser Junkie hatte Pearce den Schwung versaut, und dieses beschissene Grinsen war - Junge, Pearce konnte nicht mal tief Luft holen wegen dem Aftershave-Gestank - total daneben. Scheiße, er konnte das Aftershave des Deppen am Gaumen schmecken.

Sie knallten an einer Stelle an der weiß getünchten Mauer um den überdachten Vergnügungspark zusammen, wo ein Graffitikünstler hingesprüht hatte:
Mauer, hä, was soll ‘n die da?

Pearce hatte schon früher mal einen Hund gehabt. Als Kind. Der war überfahren worden, und er hatte das Resultat gesehen. Der arme Scheißer lebte noch und hatte sich unter ein Auto gekauert. Winselnd war er auf ihn zugekrochen und hatte dabei einen blutigen Matsch hinter sich hergeschleppt, der einmal sein Bein gewesen war.

Verflucht komisch, was? Guck an, wie das Junkiearschloch da lacht.

Das Leben war ein einziger großer Scheißwitz, was? Alles, was man lieb hatte, starb am Ende. Da platzt man doch vor Lachen, du Junkiesau.

Deine Schwester setzt sich den goldenen Schuss.

Du machst ihren Dealer kalt.

Du wanderst zehn Jahre in den Knast.

Ist das witzig? Ja? Lach doch. Genau.

Du bist wieder ein paar Monate draußen, und irgendein Scheißkerl sticht deine Mutter ab.

Du kommst drüber hinweg.

Du schaffst dir ‘nen Hund an.

Irgendein Wichser bringt deinen Hund um.

Haha, Scheiße noch mal!

Du versuchst, ‘nen Teil von deiner Wut abzureagieren, und irgend so ’n Junkiearschloch von Happy Harry Scheiß wichser rennt in dich rein. Und er stinkt auch noch nach billigem Aftershave. Und er lacht.

Pearce hasste Junkies, aber besonders hasste er alte Junkies. Die sollten es doch echt besser wissen, verdammt noch mal.

Er rammte dem Wichser eine Faust in den Magen, und das Grinsen war weg.

Happy Harry krümmte sich und streckte einen Arm aus, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Pearce hätte dem Wichser gern noch eine geknallt, doch er hielt sich zurück. Ihm war bewusst, dass inzwischen Leute zuschauten, aber nicht deshalb hielt er sich zurück. Es war ihm ziemlich egal, ob er Aufsehen erregte. Ein junges Paar, Hand in Hand, warf Pearce böse Blicke zu. Vor allem der Typ. Machte den Dicken vor seiner Freundin. Doch nein, der Grund, weshalb Pearce den Junkie nicht noch einmal schlug, war der, dass er sich nicht sicher war, ob er wieder aufhören könnte. Vielleicht ihm rasch mal die Stirn auf die Nase donnern. Aber nein. In Wirklichkeit hatte er es auf Wallace abgesehen und durfte nicht dieses armselige Bündel aus falscher Fröhlichkeit als Ersatz nehmen, auch wenn er sich unendlich viel besser fühlen würde, nachdem er ihm die Scheiße aus dem Leib geprügelt hatte.

Pearce riss sich zusammen, so gut er konnte, und sagte laut: »Der Mann hier ist ‘n bekannter Pädophiler. So was sollte man gar nicht in die Nähe vom Strand lassen.« Und Scheiße noch mal, wie sich die Fressen da veränderten. Wäre Pearce innerlich nicht so aufgewühlt gewesen, dann hätte er hier endlich was zu lachen gehabt. Ein, zwei Sekunden lang dachte er, sie würden den armen ollen Harry lynchen. Aber Harry rappelte sich auf, ganz ohne Lächeln jetzt, und machte den Abgang, wobei er sich den Bauch hielt. Vielleicht
war
er ja ein Pädo. Wäre er sonst nicht dageblieben und hätte seine Ehre verteidigt? Na ja, das ist die Art Beschuldigung, die man nur schwer abschütteln kann. Wahrscheinlich hatte er recht, die Fliege zu machen.

»He«, sagte das Mädchen und zeigte mit dem Zeigefinger auf Pearce. Sie hatte mindestens einen Ring an jedem Finger. »Sie können doch nicht einfach rumlaufen und sich an Leuten vergreifen.«

»Wieso nicht?«, fragte Pearce sie. Die Antwort hätte ihn wirklich interessiert. Im Augenblick fiel im kein einziger Grund ein, wieso er sich nicht an Wallace vergreifen sollte, und er hoffte, sie könnte ihn vielleicht davon überzeugen, dass es eine Alternative gab. Denn er konnte keine sehen, verdammt, egal wie sehr er auch suchte.

Und weiß Gott, so ein tätlicher Angriff war eine ernste Sache.

Und weiß Gott, er wollte nicht noch mal in den Knast wandern.

Aber sie antwortete nicht, sondern rümpfte einfach nur ihre Stupsnase und drängte ihren Freund, weiterzugehen.

Interessant, dass sie Pearce nicht gefragt hatte, woher er seine Informationen hatte. Nenn einen ‘nen Pädophilen, und schon ist er einer. Nichts bleibt so kleben wie Scheiße.

Pearce hatte gehofft, ein Spaziergang könnte ihn beruhigen. Und ohne diesen kleinen Zwischenfall hätte es vielleicht auch funktioniert. Aber er war noch genauso scharf darauf, Wallace zu verdreschen, wie er es gewesen war, als Flash ihm die Neuigkeiten über Hilda berichtet hatte. Und da war er ziemlich drauf aus gewesen. Wenigstens hatte er nicht die Glotze zertrümmert oder den Spiegel im Flur eingetreten oder das ganze Geschirr zerdeppert oder die CDs seiner Mum zerbrochen. Doch jetzt musste er wieder nach Hause gehen. Da war etwas, was er sich noch holen musste.

Unterwegs wählte er Baxters Nummer. Der Alte ging fast sofort dran. »Die Adresse von Wallace«, sagte Pearce. »Ich brauch sie, und zwar jetzt.«

 

»Perfektes Timing.«

Jacob nahm gerade das Backblech aus dem Ofen, als Flash und May wieder mit dem Hund zurückkamen. Die Töle wurde total verwöhnt, hatte jetzt schon mehr Auslauf bekommen, als Louis in seinem gesamten kurzen Leben. Aber May und Flash machten in letzter Zeit so trübselige Gesichter, und da hatte Jacob sich gedacht, ein paar selbst gebackene
scones
- mit Marmelade und Sahne natürlich - würden sie ein bisschen aufmuntern. Als Flash noch klein gewesen war, hatte er seinem alten Dad gern beim Backen geholfen. Rog war anders. Der machte sich nicht gern die Hände schmutzig.

May sagte, sie habe keinen Hunger. »Kann ich mit Schnuckelchen raus in den Garten gehen?«

»Solange du da bleibst, wo wir dich sehen können«, sagte Jacob.

Sie ging auf ihr Zimmer und kam mit einer Handtasche zurück. Sprach mit Pearces Hund und ging dann mit ihm raus.

»Behalt sie im Auge, Flash, hm?« Jacob stellte das Backblech auf der Arbeitsfläche ab.

»Aul«, sagte Flash. »Das kann ich gar nicht mit ansehen.«

Jacob grinste. Von der jahrelangen Arbeit in der Fabrikbäckerei waren seine Fingerspitzen unempfindlich geworden. Man verbrennt sich ein paarmal, und irgendwann bildet sich eine dicke Hornhaut. Er benutzte nie Topfhandschuhe, um Sachen aus dem Ofen zu holen. Er spürte die Hitze, das schon, aber nur ein paar Sekunden lang - der Schmerz war absolut erträglich.

Flash zog einen Stuhl unter dem Tisch vor und setzte sich. Musste sich wieder mal rasieren. Es sah aus, als wollte er etwas sagen. Schaute Jacob an, sagte aber nichts. Fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte.

»Die müssen noch fünf Minuten abkühlen«, sagte Jacob.

Flash räusperte sich. »Riecht lecker.«

Und ob. Ein heißer, süßer Duft, der Jacob an Familien-Wochenenden erinnerte, als die Kinder noch klein und unschuldig und Annie und er noch so jung waren, dass sie sich um ihr Alter keine Gedanken machten.

Jacob hielt die Hände unter das kalte Wasser. Zugegeben, nach einer Weile drang die Hitze durch die Hornhaut, und seine Finger fingen wirklich an zu brennen. Dauerte aber lange. Und wenn er ehrlich war, war auch ein bisschen Angabe dabei. Um Flash mit seiner Paradenummer zu beeindrucken, auch wenn der sie im Lauf der Jahre schon hundertmal gesehen hatte. Genau wie Oma Spence. Die Alte konnte Essig direkt aus der Flasche trinken. Und nicht nur einen kleinen Schluck, nein, die ganze Hasche. Er drehte den Hahn zu, schüttelte das Wasser ab, nahm ein Geschirrhandtuch und trocknete sich damit die Hände.

»Ziemliche Sauerei«, sagte Hash.

Jacob schaute sich kurz um. Überall Mehl. Auf der Arbeitsfläche klebten Teigklumpen. Rührschüssel, Nudelholz, Butterverpackung, leere Milchtüten. Er veranstaltete immer ein kleines Chaos. In der Bäckerei hatte er einen Gehilfen, der hinter ihm herputzte. Zu Hause nicht. »Du kannst ja aufräumen, wenn du willst«, sagte er zu Flash.

»Die Sauerei stört mich nicht«, sagte Flash. »War bloß ‘ne Feststellung. Sollte keine Kritik sein.«

Jacob setzte sich seinem Sohn gegenüber und fragte sich, ob er etwas sagen oder warten sollte, bis Flash zum Thema kam, was immer das auch sein mochte. Mann, er war sich allerdings nicht sicher, ob er diese Leidensmiene noch lange aushielte. Nein, eindeutig nicht. »Was hast du auf dem Herzen?«, fragte er.

Flashs Hals schrumpfte um ein paar Zentimeter. Na ja, so sah es wenigstens aus. Als hätte ihm jemand eine Keule über den Schädel gezogen. »Was meinst du damit?« Kam ganz nach seiner Mutter. Dieses In-sich-Zusammensinken.

Na ja, war von klein auf viel mehr auf sie rausgekommen als Rog. Schon als Baby. Nicht nur die Eigenheiten. Auch charakterlich.

»Spuck’s schon aus«, sagte Jacob. »Kann doch so schwer nicht sein.«

Flash stand auf, öffnete den Kühlschrank und kramte darin herum, bis er die Sahnetüte fand, die Jacob früher am Tag gekauft hatte. »Haben wir Marmelade da?«

»Im Küchenschrank. Ich hab Lust auf Erdbeer.«

Flash stellte die Sahne neben die
scones,
ging zum Küchenschrank und drehte sich um, bevor er ihn öffnete. »Ich
hab
was auf dem Herzen.«

Jacob wartete. Und wartete.

»Rog«, sagte Flash. Dann: »Ich hab mich gefragt…« Er öffnete den Küchenschrank, holte das Glas mit der Konfitüre aus dem mittleren Fach. Sein Gesicht lief rot an, als er versuchte, den Deckel zu öffnen. »Was, wenn Pearce recht hat?«, sagte er, blies die Backen auf und versuchte es erneut. »Was, wenn Wallace es gar nicht war?«

»Wie kannst du so was fragen?«, sagte Jacob. »Du hast doch gehört, was Rog gesagt hat.«

»Ach, komm schon, Dad. So sicher kann er das gar nicht wissen. Er
denkt,
dass es Wallace war. Aber er hat ihn gar nicht sehen können. Es war dunkel. Und Rog war total überrumpelt.«

»Natürlich war’s Wallace. Wer hätte es denn sonst sein sollen?«

»Genau das hab ich mich ja gefragt.« Flash reichte Jacob die Konfitüre.

Jacob drehte den Deckel, der sich mit einem Plopp öffnete. Wahnsinn, dass er es geschafft hatte, ohne dabei mit den Händen zu zittern! Sein Bein, das man unter dem Tisch nicht sehen konnte, zitterte. Er reichte Flash das Glas zurück. »Machst du dir Sorgen, dass es den Falschen treffen könnte?«

»Wenn Pearce Wallace kaltmacht, bin ich genauso froh wie du. Das ist’s nicht. Nur, wenn Wallace nicht auf Rog geschossen hat, dann bleibt das, was mit Rog passiert ist, unbestraft.« Flash öffnete den Schrank über seinem Kopf und holte zwei Kuchenteller heraus. Mit einem in jeder Hand drehte er sich um. »Macht dir das keine Sorgen?«

Jetzt musste Jacob vorsichtig sein. Das war eine heikle Frage. Er langte nach seiner Zigarettenschachtel und griff nach einer der beiden Kippen, die herausfielen. Bot sie Flash an.

»Ich will grade was essen, Dad.«

»Rauch erst mal eine. Lass die
scones
ein bisschen abkühlen.«

»Hab’s aufgegeben.«

»Wieder mal?«

»Endgültig. Ist sowieso deine letzte.«

»Da sind noch zwei.«

»Ich will keine.«

»Wohl pingelig, weil’s keine Silk Cut ist.«

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