Hard Man (31 page)

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Authors: Allan Guthrie

Er drückte ab.

May bäumte sich unter seiner Hand auf, bevor er zusammenbrach, vom Tragegestell stürzte und auf den Boden krachte. Er landete auf dem Rücken. Starrte zur Decke, und dann verschwamm sie. Dann grau. Dann nichts.

 

Das Schlafzimmer lag links vom Fuß der Treppe, und Flash fragte sich, was wohl da drin war, das einen zwei Finger dicken Sicherheitsriegel rechtfertigte. Es musste einen Grund geben, weshalb das Zimmer verriegelt war.

Er schob den Riegel zurück und drückte die Tür von sich weg. Drinnen herrschten Dunkelheit und ein überwältigender Gestank. Er drehte gerade den Kopf zur Seite, als etwas Schwarz-Gelbes auf ihn zuschoss.

 

Pearces Muskeln spannten sich, als er hörte, wie der Riegel zurückgezogen wurde. Hier war sie endlich, seine Chance zur Flucht. Er machte sich bereit und packte fest den Griff der Nagelpistole. Würde Wallace sich erinnern, dass er das Licht angelassen hatte? Scheiße, jetzt wünschte Pearce, er hätte die Finger davon gelassen. Er tat einen Schritt nach vorn, als der Spalt in der Tür sich verbreiterte, stieß den Arm nach vorn und zielte auf Wallaces Kopf.

»Scheiße,
amigo«,
sagte eine bekannte Stimme. »Mach mal halblang.«

Pearce leckte sich die ausgetrockneten Lippen und versuchte, die Stimme unterzubringen. Bingo! Das war der kleine Baxter, das Arschloch, nicht der Fettsack, der angeschossen worden war, nein, der andere, der Dürre mit dem schlechten Klamottengeschmack. Wie hieß der noch, verdammte Kacke? Wie dem auch sei, das Arschloch verdiente es, mit einer Nagelpistole beschossen zu werden, dafür, dass er spanisch sprach, aber da Flash gerade die Tür aufgemacht hatte, ließ Pearce ihn vorerst noch mal davonkommen. Er atmete tief aus. Senkte die Nagelpistole. Knipste das Licht an. »Pearce?«

Der kapierte schnell.

»Verfluchte Scheiße«, sagte der Junge. »Was ist denn mit dir passiert, Scheiße noch mal?«

Pearce nahm an, dass er den Zustand seines Gesichts meinte. Pearces geringstes Problem, aber es schmerzte bei Berührung und sah wahrscheinlich noch schlimmer aus. »Haben grade ‘ne Party hier unten«, sagte er. »Schön, dass du’s noch geschafft hast.«

Der Kleine starrte auf die Nagelpistole, die jetzt locker an Pearces Seite hing, und kam zu dem Schluss, es sei wohl okay, reinzukommen. Er musste zweimal hingucken, als er drüben den Käfig von Jesus sah. Dann legte er - wie hieß er gleich noch mal, verdammte Kacke? -, legte er sich die Hand über die Nase und schaute Pearce wieder an.

Pearce zuckte die Achseln.

Der Junge ging an ihm vorbei. »Scheiße«, sagte er, als er Jesus sah, der verstummt war. Wahrscheinlich ohnmächtig geworden.

Pearce schloss die Augen, was ein Fehler war. Augenblicklich wurde er von Bildern bestürmt. Eine Montage aus schnellen Schnitten.
Klack, klack, klack.
Und er drohte, in seinem Kopf verloren zu gehen, als wäre er derjenige, der die Drogen genommen hatte, bis er sich an ein spezielles Bild klammerte. Ein Buch. Gebunden. Großes, schweres Lederding, stank nach Schweinsleder. So intensiv, dass man schnaufen musste.

Das Buch war auf einem Regalboden, in einem Bücherregal, in einer ganzen Reihe von Bücherregalen, in einem Raum voller Bücherregale.

Eine Bibliothek, das war es. Eine, die er kannte. Portobello-Bibliothek.

Er band draußen Hilda los. Hob den Kopf. Auf der anderen Straßenseite, da war Baxters Sohn, das Arschloch, mit offenen Schnürsenkeln, der ihn bespitzelte. Die Beine in die Hand nahm. Pearce wunderte sich, dass er nicht stolperte, auf die Fresse flog.

Pearce öffnete die Augen, was leichter gesagt als getan war. Sie wollten sich nicht öffnen. Nein, sie waren zufrieden damit, geschlossen zu sein und geschlossen zu bleiben. Die Lider waren tonnenschwer, als würden zwei Elefanten auf ihnen sitzen.

Sein Körper sagte ihm, dass alles überstanden war. Aber sein Verstand wusste es besser.

Das Arschloch, Pearce hatte ihn vor der Bibliothek herumhängen gesehen. Streak? Lightning? Flash, so hieß er. Pearce hatte gewusst, dass es was Bescheuertes war.

Okay, er würde ihm seinen Deppennamen verzeihen. Er brauchte was zu trinken. Er öffnete die Augen. Einen Moment glaubte er, Flash hätte sich an ihm vorbeigeschlichen und sei getürmt. Wäre das nicht total abgefuckt gewesen? Dein Retter erscheint, kommt dann zu dem Schluss, dass er keinen Bock hat, dich zu retten, verpisst sich und verriegelt die Tür hinter sich. Überhaupt nicht lustig. Aber nein, Flash beugte sich gerade über Jesus und murmelte auf ihn ein. Der hatte garantiert noch nie eine Kreuzigung gesehen.

Flash richtete sich auf, die Hand immer noch über der Nase. »Hab ihn kaum erkannt«, sagte Flash. »Mit dem Bart und allem.«

Natürlich musste Flash Jesus kennen, wenn Jesus mit seiner Schwester befreundet - intim befreundet - war. Ergab Sinn.

»Er ist übel dran«, sagte Flash.

»Ich kann mir nicht viele Leute vorstellen, die nach ‘ner Kreuzigung gut dran sind«, sagte Pearce.

Flash wiederholte seine Frage von vorhin. »Was ist mit euch beiden nur passiert, verdammte Scheiße?«

Pearce erzählte es ihm, so schnell er konnte.

»Was für Drogen?«, fragte Flash.

Drogen. Scheiße, jedes Mal, wenn Pearce dieses Wort hörte, schrumpfte sein Magen zu einem Eiswürfel. Im Augenblick war es ganz schlimm. Das kleine Abenteuer hier hatte ihn besonders empfindlich gemacht oder so. Seine Schwester war seit Langem tot, aber die Wut war immer noch da, als wäre es gestern passiert. Pearce hatte ihren Dealer umgebracht, und das hatte einen gewissen therapeutischen Wert gehabt. Die Sache war nur die, dass sie danach mehrfach vergewaltigt worden war, und die kranken Schweine, die das gemacht hatten, waren nie gefunden worden.

»Magic Mushrooms«, sagte Pearce.

»Weißt du, wie viele?«

Pearce sagte es ihm.

»Grundgütige Scheiße!«

Grundgütige Scheiße, und ob.

 

Flash durchwühlte die Küche, öffnete Schublade um Schublade; fand ein Glas, was praktisch war, aber nicht das, was er suchte. Schließlich fand er es auf der Arbeitsfläche in einem Behälter, auf dem ZUCKER stand. Er zog die Schublade auf, in der er das Besteck vermutete, doch sie war vollgestopft mit Umschlägen und Rezepten und Gebrauchsanweisungen für Küchengeräte. Die Schublade daneben war die mit den Löffeln. Er holte einen Esslöffel heraus, füllte das Glas mit Wasser und nahm all seine Utensilien wieder mit in den Keller.

Nein, er hatte nicht vergessen, dass er gesagt hatte, er würde versuchen, den Scheißköter für May zurückzuholen, aber die beste Methode, den Hund zu finden, war, darauf zu warten, dass Wallace zurückkam, denn er hatte auch gesagt, er würde Wallace umbringen, und inzwischen starb Brian, und Flash lechzte nach einer Zigarette, aber er hatte keine dabei, und bei Wallace lagen keine herum, denn er hielt es für falsch, seinem Körper Gifte zuzuführen, nicht mal Tee oder Kaffee, wenn man May glauben durfte, und Pearce oder Brian hatten schon gar keine Kippen dabei, sodass er noch ein kleines bisschen länger würde leiden müssen.

Er sah den Käfig wieder und fragte sich, was manchen Leuten so im Kopf herumging. Wallace hatte eine schwere Scheißklatsche, was sie ja alle wussten, und wenn jemand das bezweifelte und dachte, die Familie hätte überreagiert, na, der verfluchte Irre hatte May überfahren und Norrie erschossen und war verantwortlich dafür, dass Dad einen Herzinfarkt bekommen hatte, und hier waren noch mehr Beweise dafür, dass er ein total durchgedrehter, gefährlicher, verrückter Wichser war, den man aus seinem Scheißelend erlösen sollte. Welcher Mensch mit gesundem Verstand hält ein anderes menschliches Wesen in einem Käfig? Und kreuzigt es dann auch noch?

 

Pearce stürzte das Glas Wasser runter, fühlte sich schon viel besser und fragte Flash, was er mit der Zuckerdose vorhatte. Flash erklärte, dass der Zucker Brian wieder runterbringen würde. Hoffentlich.

»Brian. Hmmm. Der ist schon runter«, sagte Pearce. »Hat er ganz alleine geschafft.«

»Von dem Trip bringt er ihn runter.«

»Ach ja?« Und wenn schon, Pearce fand nicht, dass Jesus nach einem Brian aussah.

Flash ging dort hinüber, wo Jesus auf dem Boden zusammengebrochen war, nahm den Deckel von der Zuckerdose. Steckte den Löffel hinein. Zog ihn heraus. »Aufmachen«, sagte er.

Jesus war wach. Er stöhnte.

»Medizin«, sagte Flash. »Die hilft.«

Jesus öffnete den Mund, als der Löffel näher kam. Löffel schlupfte hinein. Er schloss den Mund darum und zuckte zurück. Pearce konnte es ihm nachfühlen. Das musste verteufelt süß sein.

»Schluck’s runter«, sagte Flash. »Na los. Es ist zu deinem Besten.«

Aber Jesus spuckte aus.

Flash steckte den Löffel wieder in die Dose und brachte ihn wieder gehäuft zum Vorschein.

Jesus schlug ihn mit der freien Hand beiseite.

»Lass ihn«, sagte Pearce.

»Er muss das nehmen«, sagte Flash.

»Dem hilft schon lange kein Löffel Zucker mehr.«

»Lass mich’s noch ein Mal versuchen.«

Pearce sah zu, wie Flash Jesus einen weiteren Löffel in den Mund schaufelte. Mit dem gleichen Ergebnis. Jesus sperrte danach weit den Mund auf und gab ein Würgegeräusch von sich.

»Noch einer«, sagte Flash.

»Leck mich, Wallace«, sagte Jesus.

»Brian, ich bin’s, Flash. Ich bin nicht Wallace. Nimm das. Dann bist du gleich wieder voll da.«

Aber Jesus wollte nicht. Gut für ihn.

»Wir müssen einen Krankenwagen rufen«, sagte Flash, der endlich aufgab und den Löffel fallen ließ.

»Hilf mir, ihn raufzubringen«, sagte Pearce. »Wir lassen ihn besser, wo er ist.«

»Jesus kommt rauf.«

»>Jesus

»Dann kotz doch.« Das konnte Flash ja gut, glaubte Pearce sich zu erinnern.

»Schau mal, der passt nicht durch die Tür, nicht wenn er an diesem … Ding hängt.«

»Dann hängen wir ihn ab.«

»Wieso können wir ihn nicht einfach lassen, wo er ist?«

»Er ist schon viel zu lange hier. Wird Zeit, dass er rauskommt.«

»Wallace kann jeden Moment zurück sein«, sagte Flash.

»Dann »müssen wir uns beeilen.« Pearce schaute sich rasch um. »Meinst du, du findest hier irgendwo ‘nen Hammer?«

 

Als Flash mit dem Hammer zurückkam, war Pearce bei Jesus. Pearces Beine waren wieder in Ordnung. Einen Riverdance hätte er vielleicht noch nicht hingelegt, aber das Gefühl in ihnen war so weit zurück, dass Pearce Wallace ordentlich in den Arsch treten konnte, wenn der unerwartet auftauchte. Aber eins nach dem anderen.

Als Pearce die Nägel herauszerrte, machte Jesus fast genauso viel Krach wie da, als Wallace sie reingehämmert hatte. Pearce hatte erst an eine langsame, vorsichtige Methode gedacht, sich dann aber entschieden, die Sache hinter sich zu bringen und die Nägel schnell rauszuziehen, wie wenn man ein Pflaster abreißt. Unglücklicherweise sah er sich wegen seines gebrochenen Fingers gezwungen, es langsam anzugehen. Er hatte es mit der linken Hand versucht, damit aber nicht richtig zufassen können.

Und Flash weigerte sich zu helfen. Er wollte nicht mal hinschauen.

Pearce war allerdings enttäuscht von Jesus. Er war doch ein Waschlappen. Nach allem, was er durchgestanden hatte, hätte man nicht denken sollen, dass er jetzt so eine Heulsuse war.

Man konnte meinen, Pearce würde ihm die Zähne ziehen.

Jesus wurde wieder ohnmächtig, als Pearce ihm die Nägel aus den Füßen zog. Allerdings war es verdammt schwierig, die Nägel rauszukriegen. Echt verdammt dicke Biester.

 

Pearce und Flash packten jeder an einem Ende zu, wobei Pearce versuchte, den kleinen Finger aus dem Weg zu halten, was ihm meistens nicht gelang, aber wankend und stolpernd schleppten sie Jesus aus dem Keller die Treppe hoch und legten ihn bei Wallace aufs Sofa. Mit jedem Schritt wurden Pearces Arme und Beine lockerer, die Seite schmerzte dagegen immer heftiger. Wahrscheinlich eine oder zwei gebrochene Rippen. Jesus blutete nicht stark, war jedoch bereits ziemlich blutverschmiert. Schade um das schöne weiße Ledersofa.

Pearce musterte Flash eine Weile. Der Junge war schon erstaunlich. Eigentlich hätte er sich vor Angst, dass Wallace gleich heimkommen und ihn zusammen mit Pearce und Jesus einsperren würde, in die Hosen scheißen müssen.

Aber er wirkte ganz gefasst. Nicht wie beim ersten Mal, als Pearce ihn gesehen hatte. Grün im Gesicht und nach seinem Dad rufend.

Pearce ging es inzwischen auch schon viel besser, und er war bewaffnet, was dem Kleinen zweifellos half, Haltung zu bewahren. Pearce sah, wie er einen verstohlenen Blick nach dem Hammer warf, den er sich in eine Gürtelschlaufe gesteckt hatte. Pearce gab ihn ihm und sagte: »Ich hol mir die Nagelpistole. Bring Jesus ein bisschen Wasser.«

Wieder im Keller, empfand Pearce eine unglaubliche Dankbarkeit Flash gegenüber. Hätte ihn am liebsten umarmt oder so. Was komisch war. Denn außer bei seiner Mutter und seiner Schwester war Pearce noch nie danach gewesen, jemanden zu umarmen.

Er kam zurück, ließ die Nagelpistole neben Jesus auf das Sofa fallen und verkniff es sich, Flash zu umarmen.

Mann, war das gut, saubere Luft zu atmen.

Den Hammer unter den Arm geklemmt, gab Flash Jesus etwas Wasser zu trinken, und Jesus schluckte es runter. Er würde überleben. Er war ein echt tougher Wichser. Aber sie mussten jetzt definitiv einen Krankenwagen für ihn rufen.

Pearce ging zum Fenster, teilte die Gardinen und spähte hinaus. Nichts regte sich. Er drehte sich um und musterte Flash. Hatte plötzlich wieder das Bild vor sich, wie er vor der Bibliothek herumlungerte, am Tag, als Wallace Hilda umbrachte. Was Wallace abgestritten hatte. Nachdem er es vorher zugegeben hatte. Jedenfalls hatte das Flash behauptet. Scheiße, nein. Pearce durchschaute, wie er verschaukelt worden war. Verflucht, die Frage war nur, wie weit der Drecksack das Spiel getrieben hatte. »Hast du meinen Hund ersäuft?«, fragte Pearce.

Flash verzog die Fresse, ließ von Jesus ab und richtete sich auf. Er nahm den Hammer unter dem Arm vor und wog ihn in der Hand, bückte sich und legte ihn auf den Boden. Dann scharrte er mit den Füßen in den offenen Turnschuhen und sagte, ja, er habe Hilda gestohlen. Nicht dass er Hildas Namen gewusst hätte. >Deinen Hund<, hatte er gesagt. Und in Wahrheit hatte er auch nicht >gestohlen< gesagt. Das Wort, das der kleine Wichser gebrauchte, war >gekidnappt<. »Sag das noch mal«, sagte Pearce.

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